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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Naschkiste, deren Deckel in schwarzen Druckbuchstaben den Nachnamen und die Initialen ihres Besitzers tragen mußte.
    Zum weiblichen Schulpersonal gehörte neben den Angus-Mädchen noch Schwester Pinder, die einen Mann bei der britischen Marine, ein buntes Kopftuch, gestärkte Manschetten und eine Pulsuhr besaß, wie sie die Krankenschwester-Sets enthalten, die kleine Mädchen sich immer zu Weihnachten wünschen. Trieb man es zu bunt, schlug sie einem vorzugsweise mit einem Metallineal auf die Hand – was viel schmerzhafter klingt, als es tatsächlich war. Ihr Sohn John war etwa in meinem Alter und sollte, wenn ich mich recht erinnere, später aufs Pangbourne Naval College gehen. Wahrscheinlich ist er heute Flottenadmiral, sofern er nicht wie die meisten meiner früheren Klassenkameraden irgendwo in London inder Werbebranche, im gewerblichen Immobiliengeschäft oder beim Film untergekommen ist oder aber als mittelloser, aber glücklicher Tischler (im Haus eines darbenden Kunsttöpfers) in Cornwall lebt. So ist eben meine Generation. Wie in den Filmen der Carry On -Serie gab es neben Schwester Pinder auch eine Wirtschafterin; bei meiner Ankunft wurde das Amt von einer gewissen Mrs. Waterston bekleidet, von allen nur Matey oder Matey Bubbles nach dem gleichnamigen Kinderschaumbad genannt. Auch sie hatte einen Neffen an unserer Schule, an den ich mich allerdings nur noch dunkel erinnern kann. Hilfswirtschafterinnen kamen und gingen, und die einzige, die ich noch halbwegs lebendig in Erinnerung habe, war ein blondes Mädchen mit Brille namens Marilyn (meinem lückenhaften Gedächtnis nach eine Evangelin), die Gitarre spielte und uns auf unser Drängen ein Gutenachtlied sang, das unerklärlicherweise von El Paso handelte (sofern ich jetzt nicht völlig aufs falsche Gleis geraten bin). Während einer Wanderfahrt auf die Isle of Wight eroberte sie das Herz meines Bruders Roger im Sturm: Er kehrte mit einem gläsernen Leuchtturm, der mit bunten Sandschichten aus Ryde gefüllt war, sowie einem deutlich gewachsenen Adamsapfel zurück.
    Die Symbolik des Leuchtturms gehört zu jenen Peinlichkeiten, für die sich nur das wirkliche Leben nicht zu schade ist. Die Schulsekretärin, Mrs. Wall, trug elegante Tweed-Kostüme und duftete angenehm nach Citrus und Paprika. Ich glaube, ihr Vorname war Enid. Der Schulkoch hieß Ken Hunt. Seine Eier- und Hühnergerichte lieferten Anlaß zu unzähligen Küchenwitzen, auf die ich hier wohl nicht näher einzugehen brauche. Unterstützt wurde er von zwei Küchenhilfen, der fetten und haarigen Spanierin Celia, die mich während meiner ganzen Zeit in Stouts Hill liebevoll bemutterte, und ihrem spanischen Ehemann Abiel, beinahe genauso fett und haarig wie seine Frau und mir gegenüber nicht weniger großzügig.
    Außerdem gab es noch den Butler Mr. Dealey, vor dem ich gehörigen Respekt hatte. Er trug sogenannte Kulturbeutelhosen und schien mir nie mehr zu sagen zu haben als »Wohlan, Master Fry, wohlan«, wann immer wir uns über den Weg liefen. Wenn ich Filme wie Die kleinen Detektive oder Wer zuletzt lacht sehe, habe ich jedesmal wieder seine leicht ganovenhafte Stimme irgendwo zwischen Jack Warner und Guy Middleton im Ohr. Auch er hatte einen Sohn namens Colin, der sich jede Menge Brylcream in seine Haare schmierte und die damals so berühmte Rockabilly-Locke in der Stirn trug. Colin packte hier und dort mit an, konnte Rauchkringel blasen und wie ein Kazoo durch die Zähne pfeifen. Darüber hinaus war er wichtig, weil er den Schlüssel für den Süßwarenladen verwaltete. Der Schulfrisör, John Owen, kam einmal die Woche. Er hatte einen Narren an meinem Namen gefressen, weil er ihn an den berühmten Auktionator (berühmter Auktionator? Sachen gibt’s) Frederick Fry erinnerte. Während er an meinen Haaren herumschnippelte, wiederholte Owen endlos: »Frederick Fry, MAI, Frederick Fry, MAI. Mitglied des Auktionsinstituts, Frederick Fry, MAI.«
    Die Tierliebe der Angus-Familie gab sich auf den umliegenden Wiesen in einer großen Schar Ponys und Pferde sowie einer Voliere zu erkennen, die neben zahllosen exotischen Vögeln auch einen prachtvollen Goldfasan beherbergte. Auch innerhalb des Gebäudes gab es eine Reihe Vogelkäfige, die neben dem Büro des Direktors in die Wand eingelassen waren. Neben einem liebenswerten Papageienpärchen enthielten sie meinen ganz speziellen Freund, einen Hirtenstar. Das einmalige Tier konnte die Pausenglocke, Dealeys Gemurmel, wenn er die Leuchter im großen

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