Columbus war ein Englaender
bedauernswertes und pathetisches Wesen. Vielleicht leide ich, ohne es zu wissen, unter den verheerenden Auswirkungen einer barbarischen und längst überholten Erziehung. Vielleicht hat diese Erziehung mein mentales Gleichgewicht gestört. Vielleicht hat sie mich entstellt und verbogen. Weiß der Geier. Ich weiß es jedenfalls nicht, und ohne grob werden zu wollen, Sie können es genausowenig wissen. Wir leben in einer für Britannien statistisch seltenen und ungewöhnlichen Epoche. Die letzten zwanzig Jahre sind die einzigen zweiJahrzehnte unserer Geschichte, in denen Kinder für ihre Missetaten nicht geschlagen wurden. Jeder Brite, von Chaucer bis Churchill, von Shakespeare bis Shilton, wurde als Kind geschlagen. Wenn Sie unter dreißig sind, gehören Sie zu denen, die davon verschont geblieben sind. Vielleicht befinden wir uns auf der Schwelle zu einer schönen neuen Welt voller ausgeglichener und gerade gewachsener Briten. Ich würde es begrüßen.
Sie werden aus meinem Mund nicht hören, Schläge seien eine gute Sache, oder wir müßten zur Rute zurückkehren. Es ist nur so, daß ich der körperlichen Bestrafung im Leben der meisten Menschen nicht mehr Bedeutung beimesse als Turnieren, Hula-Hoop-Reifen, Flammenhosen, Koteletten oder irgendeinem anderen Spleen. Bis jemand daherkommt und sagt, weit gefehlt. Mit anderen Worten, erst dadurch, daß Menschen beschließen , die Praxis körperlicher Bestrafung sei von Bedeutung, erhält sie auch plötzlich Bedeutung. Ich könnte mir vorstellen, würde ich heute als Kind von meinen Lehrern geschlagen, wäre dies für mich eine zutiefst traumatische Erfahrung, da mir von allen Seiten bedeutet würde, Schläge seien, um die Sprachregelung der Amerikaner zu zitieren, eine »grausame und unübliche Form der Strafe«, so daß ich mich ungerecht behandelt fühlte und folglich Rotz und Schnotter heulen würde.
Doch lassen Sie uns – was bei Gott nicht einfach ist – die Sache mit Logik betrachten. Wenn wir körperliche Bestrafung ablehnen, wovon ich einmal ausgehe, worauf gründet sich dann unser Urteil? Daß es falsch ist, einem Kind Schmerz zuzufügen? Nun, ich weiß nicht, wie es Ihnen ergeht, aber wenn ich an die Schmerzen aus meiner Kindheit denke, dann sind das nicht Zahnschmerzen, ein versohlter Hintern, Knochenbrüche, geprellte Zehen, aufgerissene Knie oder verstauchte Knöchel – es sind vielmehr die Schmerzen von Einsamkeit, Langeweile, Verlassenheit, Erniedrigung, Zurückweisung und Furcht. An Schmerzen dieser Art kannich mich zurückerinnern, was ich gelegentlich auch tue, wobei es sich um Schmerzen handelt, die mir nahezu ausnahmslos durch meine Spielkameraden oder durch mich selbst zugefügt wurden.
Ich habe mich bei dem Thema der körperlichen Bestrafung so lange aufgehalten, weil es in unserer Gesellschaft so sehr von Tabus umstellt ist, daß eine nüchterne Betrachtung geradezu unmöglich erscheint. In den Köpfen vieler Leute ist es fast gleichzusetzen mit »körperlichem Mißbrauch«, ein Wort, das nahezu jeden in Hysterie, Wahn und Stumpfsinn verfallen läßt, wenn es nur im entferntesten Zusammenhang mit Kindern genannt wird.
Ich weiß, daß, wenn ich den Gebrauch des Rohrstocks kalten Herzens und kommentarlos beschrieben hätte, ohne auf eine höchstrichterliche Erforschung und Überprüfung des Sachverhalts zu drängen, sich viele von Ihnen gefragt hätten, worauf ich eigentlich hinauswill und ob ich auch wirklich voll zurechnungsfähig sei. Sie werden sich Ihr eigenes Urteil bilden müssen, nur versuchen Sie bitte zu verstehen, daß die Erinnerung an die Stockschläge, die ich mir einhandelte, weil ich wiederholt nach dem Lichterlöschen geredet, mich beim Anstehen für die Biomalz-Ration vorgedrängelt oder andere harmlose Kindereien begangen hatte, in mir weit weniger Hitzewallungen und Wut hervorrufen als die Male, da ich für Vergehen in den Karzer gesteckt wurde, mit denen ich nichts zu tun hatte. Selbst wenn mir jemand glaubhaft machen könnte, daß einer der Lehrer, die mich geschlagen haben, daraus einen sexuellen Genuß zog, würde ich bloß mit den Schultern zucken und antworten: »Das arme Würstchen, aber zumindest hat er mir nicht weh getan.« Körperliche Mißhandlung ist ein Mißbrauch von Vertrauen und Autorität, und ich hatte das große Glück, weder darunter noch unter irgendeiner anderen tatsächlichen oder eingebildeten Form von Kränkung oder Grausamkeit leiden zu müssen.
Die Behauptung, die meisten Klischees entsprächen
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