Columbus war ein Englaender
benutzt – Typen, die Rothman’s rauchten, einen Jaguar-E fuhren und mit BEA-Taschen über der Schulter in der Gegend herumstolzierten und die Leslie Phillips und Guy Middleton am besten spielten.
Stehlen war zu der Zeit für mich eine Art zwanghafter Routine geworden, und der Umkleideraum war stets meineerste Anlaufstelle. Ich marschierte an den Wandhaken entlang und rüttelte sachte an Hosen und Jacken, bis ich Münzengeklingel hörte.
Man kann die Schule bestehlen, Ladendiebstahl begehen oder eine Bank ausrauben. Aber Geld aus den Sachen von Freunden zu entwenden ist ... ja was? Es ist nicht einfach nur unfair, ungehörig, inakzeptabel oder bedenklich : Es ist das Allerletzte. Es ist hinterhältig und bösartig , denn es macht dich zu einem ...
DIEB
... und mit so einem will niemand etwas zu tun haben.
Ich erröte und zittere noch heute, wenn ich den schneidenden Ton des Wortes höre, sei es im Kino oder im Fernsehen.
Gentlemen, wir haben leider einen Dieb in unseren Reihen.
Stehengeblieben, du Dieb!
Du diebische kleine Ratte ...
Was bist du doch für ein mieser kleiner Dieb ...
Bei dem Wort fährt es mir noch immer durch Mark und Bein.
Die Umkleideräume. Das Klimpern von Münzen. Der schwere Atem. Der geöffnete Mund. Das hämmernde Herz. Alle anderen draußen auf dem Spielfeld. Die Luft ist rein.
Selbst heute suche ich immer noch nach Entschuldigungen für mein jahrelanges Stehlen. Die Ladendiebstähle, der aberwitzige Scheckkartenbetrug einige Jahre später, all das läßt sich mit einem Lachen oder Schulterzucken abtun. Manchmal jedenfalls.
Das Bestehlen meiner Klassenkameraden aber war gemein und verschlagen .
»Du bist immer schon verschlagen gewesen, Fry.«
Die Art, in der einige Lehrer und Präfekten meinen Nachnamen aussprachen, schien mir in meinem Schuldbewußtsein automatisch gerissen und verdorben und schäbig und listig und ungesund und betrügerisch und falsch und verschlagen zu bedeuten. Der verschlagene Fry.
Ich könnte zu meiner Verteidigung anführen, daß ich die Diebesbeute an jenem Nachmittag auf mehrere Jungen verteilte. Ich könnte beteuern, daß ich nur einen Shilling Sixpence brauchte (brauchte?) und den Betrag pennyweise zusammenklaute, anstatt mich an einem einzigen Opfer zu vergreifen.
Nur war dem nicht so.
Wenn ich mich an mehreren Leuten schadlos hielt, dann aus dem einen Grund, um größeres Aufsehen zu vermeiden.
»Verdammte Scheiße. Heute mittag hatte ich einen ganzen Shilling in der Tasche«, hätte jeder Bestohlene sogleich losgebrüllt.
Wohingegen: »Tss, ich hätte schwören können, noch irgendwo zwei Pence zu haben«, weit weniger Theater auslöste.
Ach ja, die Umkleideräume in Stouts Hill und später in Uppingham. Von Mary Henchs Stiefel bis zu den regelmäßigen, beinahe täglichen Raubzügen durch fremde Taschen, die Umkleideräume waren meine Killing fields.
Bis heute suche ich nach Gründen, mir die ganze Geschichte zu verzeihen. Immer noch frage ich mich, ob es nicht eine Art Rache war. Nichts war mir so verhaßt wie der sportliche Wettkampf und alle, die sich darin ruhmreich hervortaten. War das vielleicht der Grund, warum ich am liebsten in Umkleideräumen stahl, mit ihren wahllos am Boden verstreuten Sackschutzen, verschlammten Schnürsenkeln und dem Gestank alten Schweißes?
Haßte ich den Sport, weil ich so beschissen darin war, oder war ich so beschissen, weil ich den Sport haßte, und zwar vor allem ...
DIE WASCHRÄUME
&
DIE DUSCHEN?
Liegt da vielleicht die Wurzel allen Übels? In dem Horror vor dem gemeinsamen Duschen?
Allein der Gedanke, mich vor den Augen anderer ausziehenzu müssen, erfüllte mich mit Panik. Während meiner gesamten Schulzeit und auch später noch fraß er an mir wie Säure.
Mehr davon später. Im Augenblick genügt die Feststellung, daß ich gerissen war. Wenn ich Geld oder Süßigkeiten haben wollte, klaute ich sie, ganz egal von wem. Ob nun zu Hause aus der Handtasche meiner Mutter oder aus den Schreibtischen und der aufgehängten Kleidung meiner Schulkameraden. Begnügen wir uns damit, mich ein mieses Dreckschwein zu nennen, Punktum.
Zurück zum eigentlichen Geschehen. Mittlerweile befinde ich mich wieder im Schlafsaal und umwickle neun oder zehn Münzen mit Klebeband. Anschließend kommen sie zusammen mit dem säuberlich ausgefüllten Bestellformular in einen Briefumschlag, den ich zusätzlich noch mit einem Taschentuch ausstopfe und in ein unscheinbares Päckchen verwandle – wer weiß denn, ob der
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