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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Sportbegeisterung und denen, die schwimmen und singen konnten, zu behaupten, sie war auch meineprivate Edelsteinsammlung, mein Bonbongeschäft, meine Schatzkiste.
    Gleichwohl wirkt die Sprache in einer Kultur wie der unseren eher ausgrenzend als verbindend. Man mißtraut denen, die mit Wörtern umzugehen verstehen. Immer wieder hat man mir beizubringen versucht, daß ein geschickter und eleganter Umgang mit Wörtern nur der Verdrehung der Wahrheit diene: Britanniens Idealvorstellung einer goldenen Mitte war (und ist) die eines gesunden Sprachunvermögens. Fraglos eine Mitte – aber golden? Ich würde eher von bleiern sprechen. Sprachliche Eleganz erscheint dem gesunden englischen Volksempfinden (ein Phänomen, dem wir uns später noch ausführlicher zuwenden) stets als intellektuell anrüchig, oberflächlich und jüdisch . George Steiner, Jonathan Miller, Frederic Raphael, Will Self, ja selbst Ben Elton ... wie oft haben ihnen die Garrick-Club-Hanswürste des ›Sunday Telegraph‹ und des ›Spectator‹ mit ihren schlohweißen Häuptern und krebsroten Gesichtern nicht das Etikett clever angehängt. Aber wir wollen hier nicht zu weit vorgreifen.

4.
    Als ich elf oder zwölf Jahre nach meiner Ankunft in Stouts Hill selbst Lehrer an der Cundall Manor School in North Yorkshire war (man beachte den extravaganten Blazer auf dem Foto und frage sich, wie ein solcher Mensch überhaupt frei herumlaufen durfte), wollten die Jungen, die morgens mit mir am Frühstückstisch saßen, wieder und wieder die Geschichte von Bunce und dem Dorfladen hören. Ich glaube, sie waren deshalb so versessen darauf, weil sie einen dunklen Schatten auf einen ihrer Lehrer warf, der sich damals nicht bloß einen Streich, sondern eine echte Sauerei geleistet hatte.
    In Stouts Hill herrschte, unabhängig davon, daß ich die Schulatmosphäre als familiär, herzlich und warm beschriebenhabe, eine strenge Disziplin, zumindest würde man sie heute als streng bezeichnen. Sie basierte mehr oder weniger ausschließlich auf dem Rohrstock, der bei Lehrern, Wirtschafterinnen und Schülern nur Knute hieß.
    »Wirst du erwischt, gibt’s die Knute«, konnte etwa ein Schüler mit genüßlichem Schmatzen sagen.
    »Also, Fry, wenn du in zehn Sekunden nicht unter der Decke liegst, ist die Knute fällig«, erging die Warnung des aufsichtführenden Lehrers.
    »Wie oft hast du in dieser Woche schon die Knute genossen, Fry?« wurde ich gefragt.
    Als ich in Stouts Hill anfing, führte ihr Gründer Robert Angus immer noch das Regiment. In der Fensternische in seinem Büro verwahrte er eine Sammlung geschmeidiger Bambusstöcke, die regelmäßig zum Einsatz kamen, besonders in der gefürchteten Gesundheitswoche, in der er unmißverständlich signalisierte, daß seine Arme und Schultern sich nach Bewegung sehnten und schon das geringste Vergehen bestraft würde. Während der Gesundheitswoche wurde jeder Ordnungsverstoß, der normalerweise mit Nachsitzen oder Karzer bestraft wurde, automatisch in eine Prügelstrafe umgewandelt. Ein üblicherweise mit drei Schlägen geahndetes Vergehen wurde auf sechs hochgerechnet und so weiter.
    Noch weitaus gefürchteter als die Gesundheitswoche waren die Tage, an denen Angus krank oder außer Haus war und sein Stellvertreter Mid Kemp die Schulleitung und körperlichen Züchtigungen übernahm.
    Während der Nachforschungen zu diesem Buch mußte ich mit großem Bedauern feststellen, daß Mid die Kurzform für Middleton war. Ich war die ganzen Jahre über davon ausgegangen, sein Name sei Midfred, was sehr viel besser zu ihm gepaßt hätte.
    In meiner Erinnerung waren Mid Kemps Hände, seine flekkigen Tweed-Jacketts, sein Schnauzer und seine Haare gelb von Nikotin. Ich habe keine Ahnung, was an den heutigenZigaretten anders ist, aber irgendwie ist die Zeit der braungebeizten Raucherfinger und weißen Schöpfe mit Eigelb-Strähnen vorbei. Mid Kemp sah nicht nur so aus, sondern redete auch wie C. Aubrey Smith in Vier Federn . Seine Lieblingsvokabel, die gerade ich besonders häufig zu hören bekam, war Arsch. Bei ihm war eigentlich jeder ein Arsch, nur war ich eben der größte Arsch der ganzen Schule. Tatsächlich setzte er in meinem Fall meistens noch eins drauf, indem er mich als hinterfotzigen Arsch bezeichnete. Bis ich dahinterkam, was hinterfotzig überhaupt bedeutete, hielt ich das Wort für eine Ableitung von »Hintern« und glaubte daher stolz, daß ich als hinterfotziger Arsch ein doppelter Arsch im Vergleich zu den einfachen

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