Columbus war ein Englaender
Untergebenen in Schlamm und Morast einem blutigen Gemetzel entgegenführten. Noch wichtiger aber ist, daß keiner der überlebenden Uppingham-Schüler sich später so unsportlich und geschmacklos zeigte, clevere skeptische Gedichte über ihre Kriegserlebnisse zu schreiben.
Bis auf den heutigen Tag besitzt ein Wort in England großes Gewicht, das für mich viele Jahre lang wie der Rohrstock zum Verdreschen war, wie der Sporn, mit dem mein Ehrgeiz angestachelt werden sollte, eine Furie, vor der es zu fliehengalt, meine Rachegöttin, mein Feind und Anathema, mein Totem, Schreckgespenst und meine ewige Anklage. Noch heute zucke ich bei seinem Gebrauch und den Konnotationen, die es in mir wachruft, zusammen. Das Wort steht für alles, was ich nie sein sollte, und damit eben auch für alle Dinge und Menschen, von denen ich mich ausgeschlossen fühlte. Es ist das Schibboleth des Clubs, dem ich weder angehören wollte noch konnte, jenes Clubs, vor dessen Türen ich mich lästernd herumtrieb, während ein dunkler Teil von mir die ganze Zeit über mit vernichtendem Selbstekel zusah, wie die Auserwählten selbstbewußt und ausgelassen pfeifend durch die Drehtür im Innern verschwanden. Das Wort lautet
GESUND
– wobei es durchaus angebracht ist, dieses Wort ein wenig genauer zu zerpflücken. Die englische Vokabel healthy leitet sich ab aus den Wörtern whole (heil) und hale (frisch), die wiederum eine geistige Verwandtschaft zu Wörtern wie holy (heilig) und healing (heilsam) besitzen. Gesund zu sein heißt also, heil und heilig zu sein. Nicht gesund zu sein bedeutet umgekehrt, unrein, gottlos, unhygienisch und geisteskrank zu sein.
Zu ihrer Glanzzeit waren die Wörter gesund und rüstig im englischen Sprachgebrauch mit der Vorstellung eines ausgelassenen Fests mit Kuchen und Bier, Weihnachtspunsch und Trinkliedern im Stile Falstaffs verbunden. Zum Ende des siebzehnten Jahrhunderts jedoch wurde die sinnenfrohe Gesundheit der heidnischen Feiern zusammen mit Falstaff und Sir Toby Belch aus den Festsälen gejagt und durch die düstere Frömmigkeit der Kirche und den griesgrämigen Puritanismus eines Malvolio, Milton und Prynne ersetzt. »Gesundheit!« war nicht mehr der Toast humpenschwingender Zecher, sondern ein Kennzeichen der unsterblichen Seele. Gesundheit bezog sich nicht länger auf körperliches Wohlbefinden, sondern auf seelische Reinheit.
»Sorge dich um das Heil deiner Seele«, wie der Priester von der Kanzel sagte.
Thomas Arnold und nach ihm Edward Thring und eine ganze Schwadron pionierfreudiger viktorianischer Schulrektoren mit wallenden Backenbärten entdeckten wiederum eine ganz neue Bedeutung des Wortes Gesundheit, indem sie den zynischen Wunsch eines armen römischen Satirikers zur Maxime einer »Muscular Christianity« verdrehten: Mens sana in corpore sano .
»In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist«, lautete die vorsätzlich irreführende Übersetzung, die zum Grundstein einer neuen »Philosophie« wurde. Reinlichkeit, so wurde Generationen von Briten eingetrichtert, steht gleich neben Frömmigkeit. Und körperliche Gesundheit galt, in unzulässiger Abwandlung der großartigen Sprache des Abendmahls, als äußeres, sichtbares Zeichen einer inneren, spirituellen Reinheit.
Thring hatte einigen Grund für seinen Gesundheitsfimmel, soweit mit Gesundheit Hygiene gemeint war. Während seiner Amtszeit als Rektor von Uppingham hatte er mit wachsendem Unwillen auf die Weigerung der Stadt reagiert, das Kanalsystem zu verbessern, dessen baulicher Zustand und mittelalterliche Ineffizienz regelmäßig zu Fleckfieberund Typhusepidemien unter Schülern und Lehrern führten. Mit der furiosen Energie und dem unbeugsamen Willen aller großen Viktorianer verlegte er kurzerhand die gesamte Schule in das einige hundert Meilen entfernte walisische Küstenstädtchen Borth, bis das Geschäftsleben in Uppingham derart daniederlag, daß sich seine Bürger gezwungen sahen, sich um ihr Sanitätswesen zu kümmern und im wahrsten Sinne des Wortes ihren Dreck wegzuschaffen. Thring und die Schule kehrten im Triumph in ein sauberes Uppingham zurück, wobei der Borthday noch heute alljährlich in der Schule gefeiert wird.
Der Bau eines Kanalisationssystems, das die Verbreitung ungesunder Bakterien und Bazillen verhindert, ist eine Sache, der Bau eines Erziehungssystems, das die Verbreitung ungesunderIdeen und Gedanken verhindert, indes eine ganz andere. Zudem sind wir uns rasch darüber einig, daß Cholera, Typhus und
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