Columbus war ein Englaender
passable Produkt der ganzen Gegend war der Käse aus dem benachbarten Stilton, nur bekamen wir den natürlich nie zu sehen. Und dann das Schulgeld ... Nach dem Tod meiner Mutter stieß ich unter ihren Papieren auf die Abrechnungen ausUppingham: Mein Gott, was hat man sie betrogen! Ich gehe davon aus, all das hat sich inzwischen grundlegend geändert.
Der muffige Bibelgeruch nach Jerobeam und Jesus hing zu meiner Zeit in Uppingham zuweilen immer noch in der Luft der älteren viktorianischen Gebäude, und auch bei uns stand nie Stilton auf dem Tisch, aber ansonsten hatte sich, wie Douglas vermutete, tatsächlich manches geändert. Das Schulgeld war und ist immer noch höher als an vielen Schulen mit besserem Ruf, aber ich glaube nicht, daß man betrogen wurde. Auch ich hielt die meisten Lehrer für aufgeblasene Großschwätzer, doch welcher neunmalkluge Jugendliche würde nicht so von seinen Lehrern denken. Wenn einer ein aufgeblasener Großschwätzer war, dann ganz bestimmt ich.
Ich bewunderte Douglas und Firbank, weil sie, wie Forster schrieb,
UNGESUND
waren. Der düstere fromme Schwulst ihrer viktorianischen Kindheit und Erziehung weckte in beiden von ihnen eine tiefe Sehnsucht nach Licht, Farben, exotischen Welten und dem Heidentum, wobei Firbank sich dem Marienkult der römisch-katholischenKirche zuwandte, Douglas hingegen dem echten Heidentum der Dryaden, Faune und dem großen Gott Pan. Instinktiv strebten sie nach einem Stil, der das genaue Gegenteil von Dunkelheit und Schwulst war und dessen treffendste Bezeichnung nicht Connollys Mandarin, sondern Camp lautet.
Was heißt camp? Kaum ein Wort ist so häufig mißverstanden worden, denn jeder verbindet damit seine eigenen Vorstellungen. Hier sind meine.
Camp hat nichts mit Rugby zu tun.
Camp hat nichts mit dem Alten Testament zu tun.
Camp hat nichts mit St. Paul zu tun.
Camp hat nichts mit Lateinunterricht zu tun,
zuweilen aber mit Griechisch. Camp liebt die Farben.
Camp liebt das Licht.
Camp erfreut sich an der Oberfläche der Dinge.
Camp liebt die Farben so sehr wie die Malerei.
Camp zieht echten Stil der bloßen Mode vor.
Camp ist blaß.
Camp ist ungesund.
Camp ist nicht englisch , leider, leider.
Aber ...
Camp ist nicht Kitsch.
Camp ist nicht Transvestitentum.
Camp ist nicht halb so oberflächlich, wie es auf den ersten
Blick scheint.
Camp kennt keine Angst.
Camp ist stark.
Camp ist gesund.
Und, sagen wir es offen ...
Camp ist schwul.
(Meistens)
Wie sehr ein empfindsamer heterosexueller Junge sich von der Seide, dem Licht, dem Heidentum, dem Zersetzenden und dem Luxus der Camp-Kultur angezogen fühlt, ist schwer zu sagen. Wie sehr jeder normale Junge eine alternative Welt braucht , ist ebenfalls schwer zu sagen. Wenn er sie braucht, kann er sehr viel bequemer auf das komplett vorgefertigte zeitgenössische Angebot von Rock’n’Roll, Sport, Autos und Mädchen zurückgreifen. Und zwar so bequem, daß man dieses Angebot gar nicht mehr als alternative Welt bezeichnen kann, sondern allenfalls als gerade so weit von der Welt der älteren Generation abweichend, daß sie den Jugendlichen ein Gefühl von Rebellion und Unangepaßtheit vermittelt.
Ein Junge aber, der weiß, daß er anders ist und daß diese Welt nicht für ihn gemacht ist, der die unterschwellige Bedeutung in Wörtern wie »gesund« und »anständig« erkennt, mag sehr wohl eine besondere Neigung für das glänzende Licht und die rohe Dunkelheit der antiken Welt und für die giftigen Farben und die schweren, gefährlichen Moschusdüfte entwickeln, die jenseits der Pforte zu den verborgenen Gärten zu entdecken sind, jener Pforte, die von Pater, Wilde, Douglas und Firbank, ja sogar von Forster, so altjüngferlich und geziert er auch sein konnte, offengehalten wird.
Außerhalb der »Segnungen« einer klassischen Erziehung hätte ein Junge zu meiner Zeit, der um sein Anderssein weiß, Dinge wie den Zauberer von Oz , Cabaret , Musicals, Glam Rock oder Mode für sich entdecken können. Heute gibt es für den schwulen Jugendlichen jedweder sozialer Herkunft eine eigene Welt schwuler Musik, Tanz und Fernsehprogramme, die ihn in seiner Identität stärken. Manchester hat sein eigenes Schwulenviertel, London die Old Compton Street, und die ganze schwule Szene trifft sich tagtäglich im Internet, um zu chatten, neue Kontakte zu knüpfen und sich gegenseitig Mut zu machen. Sie können getrost auf den Beistand einer Handvoll ergrauter Schwuchteln verzichten,die vor ewigen Zeiten auf
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