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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Fleckfieber ungesund sind, während wir schwerlich auch nur annähernd zu einem Konsens darüber gelangen, was unter gesunden oder ungesunden Ideen zu verstehen ist. Ich glaube, das entsprechende Schlagwort unserer Tage lautet »Meme«, jenes neue Zauberwort der Evolutionswissenschaftler, das ein Konzept bezeichnet, bei dem das Modell des egoistischen Gens und des sich unablässig fortzeugenden Virus auf mentale Prozesse, Philosophien, Religionen, politische Entwicklungen, individuelle Lebensstile und sexuelle Trends sowie die Entstehung, Entwicklung, Veränderung und Ausdifferenzierung sämtlicher Fragen, angefangen von den Rechten der Tiere bis zu den Menschenrechten, übertragen wird. In der Sache ist ein Modell so gut wie das andere, nur täuschen sich die Memologen von heute, wenn sie glauben, sie seien die ersten, die Ideen wie Krankheiten betrachteten. In ihren Augen ist die Religion der Virus, wohingegen ihre Vorgänger im Atheismus, Humanismus oder Freidenkertum die Seuchenherde erblickten. Heutige Wissenschaftler verweisen in dieser Frage gern auf die reine Neutralität der physis und die wunderbare, sich selbst steuernde Vollkommenheit der Natur. Ihre Großväter, die wutschnaubenden Zeitgenossen Charles Darwins, beriefen sich auf die Bibel, königliches Gebot und jene sonderbare viktorianische Moral, die gesellschaftliche Verdienste mit innerem Wert und Reinlichkeit mit Gesundheit gleichsetzte.
    Die betonte Frömmigkeit der Public Schools lieferte, dem Herrn sei’s gedankt, die Saat zu ihrer eigenen Zerstörung gleich mit, da die klassischen Sprachen Latein und Griechisch zu den Grundpfeilern einer Public-School-Ausbildung gehörten und das Studium der Klassiker den aufmerksamen Leser unaufhaltsam von den kirchlichen Offenbarungen zur Schönheit und Vollkommenheit eines Sokrates, Platon oder Lukrez führt.
    Was die grausame Hure Ruhm angeht, hat Uppingham School nur wenig klangvolle Namen zu bieten. Unter denEhemaligen befinden sich der eine oder andere Politiker (Stephen Dorreil dürfte der gegenwärtig bekannteste Name sein), der noch seltenere Forscher oder Paradiesvogel (Donald und Malcolm Campbell beispielsweise), ein oder zwei Schauspieler (William Henry Pratt wohnte einst in meinem Haus, war aber so klug, seinen Namen zu ändern und als Boris Karloff unsterblich zu werden) wie auch der berühmte Regisseur John Schlesinger, aber kaum ein Schriftsteller oder Künstler. Zu den wenigen literarischen Größen, die Uppingham hervorgebracht hat, gehört ein höchst wundersames Trio zweitklassiger Autoren zu Beginn unseres Jahrhunderts. James Elroy Flecker beispielsweise war Dichter und Dramatiker, für dessen bekanntestes Werk Hassan Delius die Bühnenmusik schrieb und das so himmlisch aufgesetzte arabische Sentenzen enthält wie »Soll ich denn statt der Nadel der Anspielung den Knüppel der Feststellung wählen?« oder auch jenen Zweizeiler, der das Motto jedes moralisch angekränkelten Schuljungen sein sollte:
    Aus Lust, verbotene Dinge zu erfahren,
    Folgen wir der Goldenen Straße nach Samarkand.
    Ein weiterer schillernder Zeitgenosse Fleckers war Arthur Amnesley, besser bekannt als Ronald Firbank, zu dessen Werken Vainglory, Valmouth und Sorrow in tbe Sunlight zählen, das unter dem unseligen Titel Prancing Nigger wiederaufgelegt wurde. Bis heute steht Firbank ganz oben auf der Lektüreliste jeder literaturbegeisterten Schwuchtel. Von »besseren« Autoren wie Evelyn Waugh, Aldous Huxley und Ivy Compton-Burnett hoch geschätzt, sind seine Bücher ein Beispiel par excellence für jenen zersetzenden, schwülstigen Stil, den Cyril Connolly als die Schreibweise der Mandarins bezeichnet hat. Wie sagte doch E. M. Forster über Firbank und seine schlüpfrige Welt aus Biretten, Seidenkorsetts und Parfümkugeln: »Ist er affektiert? Aber immer ... Kann man ihn als gesund bezeichnen? Was für ein abwegiger Gedanke!«
    Ein wenig älter, aber auch langlebiger als die beiden anderen war Norman Douglas, der dritte des Uppingham-Triumvirats, für mich eine Zeitlang eine Art literarisches und gesellschaftliches Idol, und ein Schriftsteller, dessen Erstausgaben ich noch heute sammle. In seinen Erinnerungen Looking Back von 1933 schrieb Douglas über Uppingham:
    Über der Einrichtung lag ein muffiger Bibelgeruch nach Jerobeam und Jesus; die Lehrer erschienen mir wie aufgeblasene Großschwätzer; das Essen war so abscheulich, daß ich in den ersten beiden Tagen nach den Ferien keinen Bissen runterbekam. Das einzig

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