Conan der Befreier
der Blätter, wenn der Wind mit ihnen spielte. Hin und wieder setzte er das Pfeifchen erneut an die Lippen und blies wieder.
Endlich spürte er eine Bewegung in den Büschen.
»Wer du, der bläst Satyrpfeife?« fragte eine helle, hohe Stimme auf Aquilonisch.
»Gola?«
»Nein. Ich Zudik, Häuptling.« Das Buschwerk wurde geteilt. »Wer du?«
»Ich bin Conan, der Cimmerier. Kennst du Gola?« Conan, dessen Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah, daß die hohe Stimme zu einem gebückten, offenbar sehr alten Satyr gehörte, dessen Pelz mit viel Silber durchzogen war.
»Ja«, erwiderte der Oberfaun. »Er von dir erzählt. Du ihn und vier andere retten. Was wollen?«
»Eure Hilfe, um die Männer auf der Hochebene zu schlagen.«
»Wie Zudik großen Mann wie du helfen?«
»Wir brauchen einen Weg zum Plateau«, sagte Conan, »nun, da die Riesenkerbe mit Geröll verstopft ist. Kennt ihr einen anderen Weg?«
Das Insektenzirpen klang wie ein fröhliches Lied in der nächtlichen Stille. Zudik antwortete bedächtig. »Kleiner Pfad dort!« Er deutete ostwärts.
»Wie weit?«
Der Satyr antwortete in seiner eigenen Sprache, die wie das Krächzen von Krähen klang.
Verwirrt fragte der Cimmerier: »Würden wir es in einem Tagesmarsch schaffen?«
»Marschieren schnell, können schaffen.«
»Wirst du uns den Weg weisen?«
»Ja. Ich bereit, ehe Sonne aufgeht.«
Später suchte Conan Publius auf und sagte: »Wir brechen bei Morgengrauen zu einem Pfad auf, der zum Plateau hochführt. Das jedenfalls versicherte mir ein Faun. Aber die Wagen können wir nicht mitnehmen. Bringt Ihr sie nach Pedassa zurück und folgt von dort der Straße zum Khorotas. Wenn wir uns Euch auf der Straße anschließen, dann wißt Ihr, daß wir Numitor geschlagen haben; wenn nicht ...« – Conan zog einen Finger um seine Kehle – »zieht Ihr allein weiter.«
Die zweite Kluft im Massiv war viel schmaler als die Riesenkerbe. Von unten war sie überhaupt nicht zu sehen, da üppiges Grün und überhängende Felsen sie verbargen. Die Reiter führten ihre Pferde über den Bach, der am Fuß der Klamm gluckerte, und den felsigen Weg hoch. Immer wieder hielt ein Pferd, das sich vor den engen Klammwänden fürchtete, die anderen auf, während es verstört wieherte, die Augen rollte und sich aufbäumte.
Die Männer, die hintereinander stapften, hatten weniger Schwierigkeiten als die Rosse, sich hindurchzuzwängen, aber als angenehm empfanden auch sie diesen Weg nicht. Beim Einbruch der Dämmerung, die den Pfad noch dunkler und gespenstischer erscheinen ließ, riet Conan den Männern, sich jeweils an ihrem Vordermann festzuhalten und nicht loszulassen. Als der neue Morgen graute, waren alle durch die Klamm.
Während der Rast nach dem Gewaltmarsch und der anstrengenden Klettertour schickte Conan Späher aus, die Numitors Position erkunden sollten. Nach ihrer Rückkehr meldete der Truppführer:
»Numitor hat sein altes Lager abgebrochen und sich gut zehn Meilen weiter entlang der Straße zurückgezogen. Seine Männer haben das neue Lager im Wald aufgeschlagen und direkt über der Straße.«
Conan blickte seine Offiziere fragend an. Pallantides sagte erstaunt: »Was soll das denn nun wieder? Selbst wenn es stimmt, daß Numitor nicht übermäßig klug ist, habe ich noch nie gehört, daß er ein Feigling ist.«
»Ich würde eher sagen«, warf Trocero ein, »er erfuhr, daß wir einen Weg das Massiv hoch gefunden haben und befürchtete, wir würden ihn zum Abgrund drängen.«
»Der Zauberer könnte ihn gewarnt haben«, meinte Prospero.
»Das ist nicht alles, General«, fuhr der Kundschafter fort. »Vier weitere Regimenter sind zur Verstärkung des Feindes eingetroffen. Wir erkannten ihre Standarten.«
Conan brummte: »Numitor hat alles Militär von der Westermark zurückgezogen und überläßt die Verteidigung gegen die Pikten der einheimischen Miliz. Also sind wir zahlenmäßig wieder einmal unterlegen – und die Königlichen Grenzer sind ausgezeichnete Krieger. Ich habe mit ihnen gekämpft und weiß es.« Er machte eine kurze Pause, dann fügte er hinzu: »Freunde, der Satyr Gola erwähnte etwas über die Verwendung von Pfeifen gegen Feinde. Was glaubt ihr, meinte er damit?«
Keiner wußte es. Schließlich murmelte der Cimmerier. »Dann werde ich mich wohl wieder mit dem kleinen Volk in Verbindung setzen müssen.«
Als die Abenddämmerung einen grauen Schleier entlang des Wildbaches zog, kletterte Conan den Pfad hinab, den seine Männer so
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