Conan-Saga 12 - Conan der Freibeuter
Chabela zu Boden. Ihre Finger waren so taub, daß sie sie nicht biegen konnte. Doch bald floß das Blut wieder hindurch, und ein Schmerz wie von Tausenden glühender Nadelstiche quälte sie. Sie bemühte sich, ihr Wimmern zu unterdrücken, um ihre Feindin nicht aufzuwecken.
Allmählich kehrte das Gefühl in ihre Hände zurück. Sie erhob sich noch ein wenig schwindelig und beugte sich über die Königin. Nzingas herrlicher Busen hob und senkte sich regelmäßig, so als schlummerte sie völlig normal.
Chabela hinkte zu dem Tischchen mit der Weinkanne, aus der die Amazone sich eingeschenkt hatte, und nahm ein paar Schluck des lieblichen Weines. Neue Kraft kehrte in ihren Körper zurück.
Jetzt wandte sie sich wieder der bewußtlosen Königin zu. Ihre Augen suchten den Dolch an Nzingas Gürtel. Sollte sie ihn aus seiner Scheide reißen und der Königin ins Herz stoßen? Sie zitterte vor Haß auf die Schwarze, und es drängte sie mit einer Leidenschaft, die sie noch nie zuvor verspürt hatte, die Amazone zu töten.
Aber sie zögerte. Sie wußte ja nicht, wie tief Nzingas Schlummer war. Angenommen, sie zog den Dolch – allein schon die Bewegung mochte die Königin wecken, die ja viel größer und stärker war als sie. Und dann würde Nzinga ihre Arme packen und sie entweder selbst gleich töten oder ihre Wachen rufen, damit diese sie überwältigten. Selbst wenn es Chabela gelingen sollte, die Waffe unbemerkt an sich zu bringen, mußte sie Nzinga sofort mit dem ersten Stich töten, damit sie nicht mehr um Hilfe rufen oder sich gar wehren konnte.
Doch noch eine Überlegung hielt sie zurück. Die Ehrbegriffe Zingaras, mit denen sie großgeworden war, ließen es einfach nicht zu, einen schlafenden Gegner zu töten. Gewiß, Zingarier verletzten ihre eigenen Gebote genauso häufig wie die Menschen anderer Völker. Aber Chabela selbst hatte immer versucht, den höchsten Idealen gerecht zu werden. Hätte sie die Königin ohne Gefahr zu töten vermocht, wäre sie vielleicht über den instinktiven Abscheu vor einer solch gemeinen Tat hinweggekommen. Aber wie die Dinge standen ...
Hastig rannte sie auf Zehenspitzen durch die Kammer und spähte durch die Türvorhänge. In der Dunkelheit war nichts zu sehen. Die Prinzessin nahm ihren Mut zusammen und trat auf den nächtlichen Korridor.
In der Kammer brannten die Fackeln herunter. Ihr rötlicher Schein fiel auf den leer von der Decke baumelnden Ring, auf die blutbesudelte Peitsche und auf die bewußtlose Amazonenkönigin.
15. Das schwarze Labyrinth
15
DAS SCHWARZE LABYRINTH
Vor der Folterkammer blieb Chabela unentschlossen stehen. Da sie nie zuvor in diesem Teil des Palasts gewesen war, wußte sie nicht, welche Richtung sie nehmen sollte. Für sie zählte jetzt nur eines: Sie durfte sich nicht mehr ertappen lassen.
Sie sah sich in der Düsternis des leeren Korridors um. Möglicherweise befand sie sich hier in den Gewölben unterhalb des Palasts der Amazonenkönigin, von denen sie gehört hatte. Gerade diese aber wurden streng bewacht. Also mußte sie damit rechnen, jeden Augenblick einem Wachtposten in die Arme zu laufen. Vorsichtig machte sie sich auf den Weg, nachdem sie einen Seitenkorridor gewählt hatte, der ihrem Gefühl nach leicht aufwärtsführte.
Es herrschte tiefe Stille außer dem Sickern einzelner Wassertropfen und dem leisen Scharren von Nagetieren. In größeren Abständen erhellte der schwachgelbe Schein ölgetränkter Holzfackeln in Wandhalterungen den Korridor. Doch waren die einzelnen Fackeln so weit voneinander entfernt, daß die Dunkelheit dazwischen manchmal undurchdringlich war. Und in diesen pechschwarzen Bereichen sah Chabela in Bodenhöhe, immer wieder Augenpaare wie Rubinsplitter, wenn huschende Ratten kurz innehielten, um sie anzustarren.
Einem Phantom gleich schlich das nackte Mädchen durch die unheimliche Stille und die drückende Dunkelheit. Furcht griff nach ihr, denn sie spürte unsichtbare Augen auf sich – aber vielleicht bildete sie es sich auch nur ein?
Der Korridor machte einen Bogen und gabelte sich. Chabela wußte nicht, welche Richtung sie jetzt einschlagen sollte, hatte nicht die geringste Ahnung, wo sie sich befand. Sie wußte nur eines: Sie wollte nicht dorthin zurück, woher sie gekommen war. Ihr blieb nichts übrig als auch jetzt aufs Geratewohl einen Weg zu wählen und zu Mitra zu beten, daß er sie zurück ins Freie führe.
Nach langem Herumirren stellte Chabela fest, daß sie den Verliesteil
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