Conan-Saga 51 - Conan und die Amazone
auf ein Strohziel war er zufrieden. Die Waffe lag gut in der Hand. Dann ging er zu Achilea und ihren Frauen, die sich im Stall um ihre Pferde kümmerten.
»So, jetzt werden wir sehen, ob du ebensogut schießen kannst, wie du dein Schwert führst, Cimmerier«, sagte Achilea und strich liebevoll über die glänzende Flanke ihres kastanienbraunen Wallachs.
»Ich vermag mit allen Waffen gut umzugehen«, grinste Conan.
»Warum lachst du, du Gauner?« fragte Achilea.
»Arpad hat dir doch noch seinen Stempel aufgedrückt.« Conan berührte ihr Gesicht, wo sich ein blauer Fleck vom Kinn bis zum rechten Wangenknochen hinaufzog. Dort hatte Arpads Klinge sie getroffen. Die wilden Frauen blickten den Cimmerier wegen dieser Geste empört an, doch ihre Königin lächelte nur wehmütig.
»Ich bin schon schlimmer verletzt worden, und ich möchte diesen blauen Fleck nicht gegen die Wunde eintauschen, die ich ihm geschlagen habe. Komm jetzt, laß uns jagen!«
In den Ebenen hätten sie zu Pferde gejagt, doch im zerklüfteten Bergland war das unpraktisch. Dem Cimmerier fiel es leicht, sich in den Bergen zu bewegen, schließlich war er von Kindesbeinen an in seiner rauhen Heimat steile Wände hinaufgeklettert. Er war verblüfft, als er sah, daß Achilea und ihre Gefährtinnen sich beinahe ebenso mühelos wie er in schwierigem Gelände bewegten. Payna, Lombi und Ekun liefen locker über gepflügte Acker, sprangen über Felsspalten, alles so behende und lautlos wie Rehe. Mit hoch erhobenen Köpfen sperrten sie Augen, Nase und Ohren auf, um ein Wild oder einen Feind beizeiten zu wittern.
Auch ihre Königin war schnell wie der Wind und unermüdlich. Sie genoß ihre Rolle als wildes Tier. Sie zuckte nicht mit der Wimper, wenn sie mit bloßen Füßen über rauhen, steinigen Boden lief. Jeyba, der Zwerg, hatte es schwerer, mit den kurzen Beinen Schritt mit seinen langbeinigen Gefährtinnen zu halten. Doch der kleine Mann schien aus Eisen gemacht zu sein. Er fiel nicht zurück und beschwerte sich auch nie.
Sie jagten den ganzen Vormittag. Fährten gab es reichlich, aber das Wild war wachsam. Gegen Mittag machten sie an einem eiskalten Fluß Rast. Die drei Frauen und der Zwerg knieten auf allen vieren und tranken das Wasser wie Tiere. Achilea dagegen trank vornehm aus einem Silberbecher. Conan setzte sich ihr gegenüber und betrachtete sie mit offener Bewunderung.
»Ich bin überrascht«, sagte er. »Ich habe immer gehört, daß ihr ein Reitervolk wärt – wie die Hyrkanier, deren einziges Heim der Sattel ist. Bis jetzt hegte jeder Nomade, den ich getroffen habe, abgrundtiefen Abscheu, zu Fuß zu gehen. Doch du und deine Frauen, ihr bewegt euch, als hättet ihr gespaltene Hufe wie Bergziegen. Wie ist das möglich?«
»Die Hyrkanier!« Achilea schnaubte verächtlich. »Das ist ein verweichlichtes Volk, das ohne seine Pferde Krüppeln gleicht.«
Conan hatte für die Hyrkanier schon alle möglichen Namen gehört, doch niemals hatte jemand sie verweichlicht genannt.
»Mein Volk ist nicht wie die Hyrkanier«, fuhr Achilea fort. »Wir haben keine Schaf- und Viehherden, die uns mit ihrem Fleisch und der Milch ernähren. Wir jagen unser Essen, und es gibt in unserem Land viele Tiere, die man nicht hoch zu Roß jagen kann. Wir lieben unsere Pferde, aber Pferde sterben auch. Wir sind nicht hilflos, wenn wir zu Fuß gehen müssen.« Ihre Augen hingen am Horizont im Nordosten, als würden sie über eine grenzenlose Entfernung und viele, viele Jahre hinwegschauen.
»Jedes Jahr werden alle Mädchen, die das fünfzehnte Jahr erreicht haben, an einen geheimen Ort in die Berge im Norden gebracht. Dort ist das Gelände unbewohnt. Nur Heide, Felskuppen und dichtes Gebüsch. Dort gibt es sehr viel Wild, aber auch viele Raubtiere. Die Mädchen werden dort zurückgelassen. Sie haben nur ein Messer und eine Schlinge bei sich. Im folgenden Jahr werden die Mädchen abgeholt, die überlebt haben, und die nächste Gruppe wird ausgesetzt. Nein, wir brauchen keine Pferde, um zu überleben.«
»Wie viele Mädchen überleben?« fragte Conan.
»Für gewöhnlich die Hälfte. Manchmal weniger«, antwortete Achilea mit so gleichmütigem Ton, als spräche sie über das Wetter.
»Ihr seid ein hartes Volk«, meinte der Cimmerier.
»Alle anderen sind natürliche Beute«, erklärte Achilea.
Der Cimmerier hatte nicht geglaubt, daß es auf dieser Welt noch ein Volk gäbe, das so hart und so wild wie seines wäre. Doch diese Amazonen schienen sich von den Cimmeriern
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