Durch den Wind
Alison lehnte ihren Hinterkopf so an Victors Brust, dass sein Kinn auf ihren langen roten Haaren lag. Ihre Haut schimmerte wie vom Mond beschienen, und ihre Augen waren halb geschlossen. Die grüne Seidenbluse hing an einer Seite aus ihrer Hose heraus, und der Kragen war etwas verrutscht. So sah Alison eigentlich fast immer aus, ein bisschen müde oder als wäre sie gerade erst aufgestanden. Sie schien einen Körper zu haben, der Kleider nie an Ort und Stelle trug, der sich seiner Kleider am liebsten entledigen wollte.
Die Musik war langsamer geworden, das Geklapper der Gläser und der Absätze leiser, und einzelne Worte verschwammen in der weinseligen Atmosphäre. Victor nahm sie in den Arm, und ihre Schulter schmiegte sich in seine Achsel, als hätten sie ein gemeinsames Gelenk.
Auf der Tanzfläche wiegte sich ein einzelner Mann, der Diskjockey schmuste mit seiner Freundin, und die Mädchen, die die Tabletts mit den Getränken herumgetragen hatten, gruppierten sich um eines der Sofas und zogen ihre Schuhe aus.
Victors rechter Arm streckte sich zur Seite, um von einem Stehtisch eine Zigarettenpackung zu greifen, während sein Kinn auf Alisons Kopf ruhen blieb. Ihr Hals und ihr Oberkörper folgten dem Arm, ohne dass sie dabei ins Wanken geriet. Als er das Päckchen erwischt hatte, zog seine linke Hand ihre linke Schulter wieder zurück in die Mitte. Er hob seinen Kopf und steckte sich eine Zigarette in den Mund, während seine linke Hand ihren Arm hinunter am Ellbogen entlang auf ihren Bauch wanderte. Sie löste ihren Arm vom Körper, griffin seine Jackentasche, holte mit immer noch geschlossenen Lidern ein Feuerzeug heraus und streckte es über ihren Kopf vor seine Zigarette. Nachdem er seinen ersten Zug genommen hatte, strich sie ihm über den Nacken und legte ihre halbgeöffnete Faust mit dem Feuerzeug hinter seinen Kopf.
All das geschah in einer einzigen Bewegung. Sie tanzten miteinander, ohne es zu merken, und glichen so weniger einem Tangopaar als einer mehrarmigen indischen Gottheit oder einem Körper, der aus irgendeinem Grund die Fähigkeit hatte, sich zu teilen und getrennte Wege zu gehen.
Hätte sie zu dieser Zeit geahnt, dass kaum ein Monat vergehen würde, bis sie sich verlieren würden, dann hätte sie versucht, sein Handgelenk zu greifen und es nicht mehr loszulassen, dann hätte sie aufgehört zu tanzen, den Tanz geopfert für das, was sie sonst verlieren würde; wenn sie gewusst hätte, dass er einfach verschwinden würde, dann hätte sie ihn vielleicht festgehalten. Aber sie hatte es nicht einmal geahnt, denn sein Verschwinden war genau wie der Tanz, den sie miteinander tanzten. Victor verschwand mit einer großen Geschmeidigkeit, die keinerlei Verkantungen vorausschickte, keinerlei Irritationen. Ihr Zusammensein endete mit der gleichen Leichtigkeit, mit der es angefangen hatte – nur dass es sich anders anfühlte, ganz anders.
Alison und Victor schauten in den Raum, der sich langsam leerte, und beobachteten die verbliebenen Gäste. Siri stand allein an einem Tisch – die blonden Haare aus dem Gesicht gekämmt, schön und nervös wie immer; sie klappte ihre Zigarettenpackung auf und zu und nestelte an dem Silberpapier herum. Alison hatte heute Abend noch keine Zeit gehabt, sich mit ihr zu unterhalten, aber irgendetwas stimmte nicht,denn die Nervosität verwackelte das ansonsten scharf gestochene Bild ihrer Schönheit. Gleich würde sie hinübergehen und fragen, was los sei, noch genoss sie den Moment mit Victor zu sehr, um sich lösen zu können; außerdem kam langsam die Erschöpfung bei ihr an, die das ausklingende Fest begleitete.
Eines der Mädchen, das den Abend über bedient hatte, stand vom Sofa auf und näherte sich dem Mann, der sich immer noch alleine auf der Tanzfläche wiegte. Das Mädchen fing an, sich zu drehen und die Arme über den Kopf zu heben. Der Mann blinzelte zwischen den Strähnen, die ihm ins Gesicht hingen, und Alison sah ihm an, dass er das Angebot nur zu gerne angenommen hätte. Stattdessen hob er lächelnd die Schultern, machte eine unsichere, charmante Verbeugung und legte die Hände vor seiner Brust zusammen. Das Mädchen lächelte zurück, formte ihre Lippen zu dem Wort ›schade‹, drehte sich noch eine Weile und ging dann wieder zurück zu den anderen.
Siri stand immer noch allein am Rand der Tanzfläche. Sie trug ein enges silbernes Kleid und hohe silberne Schuhe, was das Gereizte ihrer Stimmung noch unterstrich.
»Mit wem sprichst du
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