Coolman und ich (German Edition)
mich auch zu bewegen.
Die Musik ist gut. Mein Fuß fängt von ganz allein an zu wippen. Dann die Knie, meine Hände, die Arme, die Hüften … Ich bewege mich mit geschlossenen Augen. Ohne zu denken. Alles geht automatisch. Mein Kopf hat Urlaub, weil der Bass die völlige Kontrolle über meinen Körper übernommen hat. Es ist ein unglaublich tolles Gefühl.
Drei Dinge, die in diesem Augenblick einfach nur perfekt sind:
1) Lena
2) die Musik
3)
Coolman
, weil er ausnahmsweise die Klappe hält.
Ich drehe mich zur Musik im Kreis und lasse dabei die Arme rotieren, als wäre ich ein Propellerflugzeug. Dabei hüpfe ich im Takt auf und ab und schüttele meinen Kopf, sodass meine Haare in alle Richtungen fliegen. Ich bewege mich immer schneller und schneller und fühle mich einfach nur super.
Erst als das Stück zu Ende ist und die Musik leiser wird, öffne ich meine Augen wieder.
Und mache sie sofort wieder zu.
Lena und die anderen Tänzer haben aufgehört zu tanzen. Sie bilden einen Kreis um mich und starren mich an, als wäre ich gerade mit meinem Raumschiff mitten in ihrer Turnhalle gelandet. Nur Lena grinst, als hätte sie gar nichts anderes von mir erwartet.
Die anderen gucken uns nach, als Lena mich von der Tanzfläche schiebt.
»Das mit dem Tanzen musst du noch üben«, sagt sie, als wir die Bar erreichen, an der die Oberstufenschüler Getränke verkaufen. Lena bestellt eine Limonade. »Aber keine Sorge, ich bringe es dir bei. Wenn ich vom Klo zurück bin.«
Lena reicht mir ihre Limo und verschwindet in Richtung der Mädchentoiletten.
Ich lehne an der Bar und fühle mich unglaublich cool und erwachsen.
FALSCH
!
Ich
bin
unglaublich cool und erwachsen.
Lässig lasse ich den Blick über die Tänzer schweifen. Zwischen den verschwitzten Körpern entdecke ich Herrn Kauffmann. Er trägt einen langen Bademantel mit Kapuze und seine alten Boxhandschuhe. Seine Bewegungen passen nicht so richtig zu dem Lied, das gerade läuft. Aber weil bei ihm ja immer alles etwas länger dauert, bewegt er sich sicher gerade zu dem Song, der davor gespielt wurde. Während er tanzt, schlägt er wilde Haken in die Luft. Es sieht aus, als stünde er in einem Boxring und nicht auf einer Tanzfläche. Frau Maier ist auch da. Sie hat sich als Hippie verkleidet. Elfengleich schwebt sie mit geschlossenen Augen in einem langen wallenden Blümchenkleid über das Parkett. Ihr Weg und der von Kauffmann werden sich gleich kreuzen. Sie sind wie zwei Flugzeuge auf Kollisionskurs. Ich sehe es und kann nichts dagegen tun. Kauffmanns erster Haken streift Frau Maiers Ärmel, der nächste trifft sie genau am Kinn.
Als ich meine Klassenlehrerin erreiche, hat Kauffmann noch gar nicht kapiert, was gerade passiert ist.
»Sie haben Frau Maier k.o. geschlagen!«, rufe ich.
»K.o.? In der ersten Runde? Ich bin der Champion! Hurra! Ich bin der Champion!«, jubelt Kauffmann, und in diesem Augenblick ist allen Umstehenden klar, dass er nicht mehr lange an unserer Schule bleiben wird.
Weil sich keiner um Frau Maier kümmert, knie ich mich neben sie auf den Boden. Sie ist immer noch bewusstlos und kommt erst wieder zu sich, als ich ihr Lenas Limonade ins Gesicht schütte.
»Peace, love and happiness«, sind ihre ersten Worte.
Dabei hätte sie ruhig mal Danke sagen können. Schließlich muss ich Lena jetzt eine neue Limo kaufen.
Ich stehe auf und schaue, ob Lena schon zurück ist. Es ist das erste Mal, dass ich mit einem Mädchen gehe. Da will ich keine Sekunde verpassen.
Ich bin nicht so feige, wie
Coolman
denkt. Ich trau mich das. Gar kein Problem. Ich werde einfach zu ihr hingehen und sie küssen. Ich darf das, weil wir zusammen sind.
Lena steht in ihrem Blumenkostüm an der Bar. Sie dreht mir den Rücken zu. Umso besser, dann kann ich sie überraschen. Ehe mich mein Mut verlässt, gehe ich zu ihr rüber. Ich lege meine Hand auf ihre Schulter und drehe sie schnell zu mir herum. Lena hat im Waschraum ihre Schminke erneuert und auch neues Parfüm aufgelegt. Sie riecht nicht mehr nach Vanille, sondern nach etwas anderem. Ihr alter Duft hat mir besser gefallen, aber darum geht es jetzt nicht. Es geht darum, es hinter mich zu bringen.
Mein erster Kuss!
Tapfer drücke ich meine Lippen auf ihre und wundere mich noch, warum ich ihre Zahnspange nicht spüre, als ich hinter mir einen lauten Schrei höre. Einen Schrei, der so laut ist, dass er locker die Musik übertönt.
Erschrocken drehe ich mich um.
Lena steht vor mir und knallt mir wortlos eine
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