Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)
Gitarre schlägt und dabei ein selbst geschriebenes Lied krächzt. Ich kenne das Lied. Ich kenne es besser, als mir lieb ist, und es geht so:
»Unsere Liebe musste sich sputen,
denn wir hatten nur fünf Minuten.
Ich liebte dich so furchtbar sehr,
drum fällt das Ende mir so schwer.
Lena, ich flehe dich auf Knien an,
so sehr, wie man nur flehen kann:
Gib uns eine zweite Chance,
denn ich fordere Revanche.«
Bis jetzt weiß ja noch keiner, dass das meine Stimme ist, die aus den Boxen dröhnt. Ich habe den Song über das Mikrofon am Computer aufgenommen und auf dem Rechner gespeichert, kurz nach der Sache mit Lena. Er muss irgendwie zwischen die anderen Dateien auf die CD gerutscht sein. Solange niemand weiß, dass ich da singe, ist meine Lage schlimm, aber noch nicht hoffnungslos.
»Das bist doch du, Alter!«, ruft Alex so laut, dass es jeder hören kann.
»Echt, stimmt. Das ist unser Kai hier«, pflichtet ihm Justin bei und deutet mit beiden Zeigefingern auf mich. »Applaus für Kai!«
Immerhin, den beiden gefällt der Song. Aber das ist nun wirklich kein Qualitätsmerkmal.
Alle Kinder im Bus starren mich an und lachen. Auch Lena dreht sich kurz zu mir um. Sie und Anti sind die Einzigen, die nicht lachen. Lena sieht ziemlich sauer aus und Anti hat wegen ihrer Kopfhörer gar nichts mitbekommen. Schöne Aussichten: Jetzt bin ich für die ganze Reise der Depp mit der Liebesschnulze.
Ich verkrieche mich unter meiner Jacke und tue so, als ob ich schlafen würde. Dabei ist das bei dem anhaltenden Gegröle meiner Mitfahrer völlig unmöglich.
Von wegen. Das ist nur ein Trick, um mich aus der Deckung zu locken. Aber ich bin ja nicht blöd. Ich bleibe einfach unter meiner Jacke hocken, bis sich das Gelächter gelegt hat. Zum Glück hat meine Uhr ein Leuchtdisplay. Da kann ich auch im Dunkeln sehen, wie spät es ist. Nach einer halben Stunde verebbt das Lachen endlich. Ich beschließe, ganz sicherzugehen und noch eine weitere Viertelstunde abzuwarten, ehe ich mich wieder unter meiner Jacke hervortraue.
Dabei schlafe ich tatsächlich ein und träume, dass COOLMAN mit meinem Song berühmt wird. Die Radios spielen das Lied rauf und runter und seine Konzerte sind alle ausverkauft. Sobald COOLMAN auf die Bühne kommt, fangen die Mädchen in den ersten fünfzig Reihen an, vor Begeisterung zu kreischen und ihn mit Plüschtieren zu bewerfen. Mein Job ist es, ihm seine Klamotten hinterherzutragen und darauf zu achten, dass in seiner Garderobe immer ein Tablett mit zehn Cheeseburgern bereitsteht. Es ist ein wahrer Albtraum, auch weil COOLMAN alle Cheeseburger allein isst und mir keinen Bissen abgibt.
COOLMANs Hilferuf weckt mich aus meinem Albtraum. Ich ziehe die Jacke von meinem Kopf und verstecke mich sofort wieder darunter.
Kennt ihr das Gefühl, wenn man von einem Albtraum nahtlos in den nächsten gerät?
Das Problem ist nur, das hier ist kein Traum mehr. Das hier ist das wahre Leben, und das könnte für mich und die anderen Kinder im Bus schon sehr bald zu Ende sein.
Der Bus ist auf die falsche Straßenseite geraten. Mit Höchstgeschwindigkeit rast er auf der linken Seite, und das kann nur bedeuten, dass der Fahrer eingeschlafen ist oder einen Herzinfarkt bekommen hat. Wahrscheinlich hat sich sein Fuß am Gaspedal verklemmt und jetzt saust der Bus führerlos mit unvermindertem Tempo als Geisterfahrer über die Autobahn.
Keiner meiner Mitreisenden hat das bis jetzt bemerkt. Alex und Justin schnarchen auf der Rückbank. Die anderen dösen arglos in ihren Sitzen, hören Musik oder spielen Karten.
COOLMAN hat recht: Jetzt liegt es an mir, den Bus und seine Insassen vor der Katastrophe zu bewahren. Wenn es mir gelingt, vergessen die anderen vielleicht aus lauter Dankbarkeit und Bewunderung sogar die Sache mit dem Song für Lena.
Ich springe auf und renne den schmalen Gang entlang, um nach vorne zum Fahrer zu gelangen. Ich versuche dabei, ganz ruhig zu wirken, damit im Bus keine Panik ausbricht. Es wird nicht leicht werden, aber irgendwie muss ich es schaffen, den Bus zurück auf die richtige Straßenseite zu lenken und so das drohende Unglück zu verhindern. Für einen Moment – und das kommt nicht oft vor, eigentlich sogar nie – bin ich froh, dass ich COOLMAN an meiner Seite weiß.
Höchstens noch drei Meter, dann habe ich den Fahrer erreicht. Von hinten sieht er aus, als wäre er völlig okay. Wahrscheinlich ist er angeschnallt, sodass sein Körper nicht aufs Lenkrad sinken kann. Nur noch zwei Meter
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