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gelogen gewesen. Dass die NATO-Streitkräfte sich bemühten, sie zu fassen zu kriegen, ließ sich nicht leugnen. Carl hatte angedeutet, diese Spielchen hätten dunkle politische Motive, seien aber nicht ernst zu nehmen. Er gehe davon aus, dass seine britischen und amerikanischen Kollegen genauso wenig erpicht auf eine militärische Auseinandersetzung seien wie er. In diesem Punkt war Carls Argumentation am schwächsten.
Die Israelis hatten natürlich für das größte Aufsehen gesorgt. Die Fernsehbilder vom Landgang der Kriegsgefangenen waren beeindruckend gewesen. Carl und Mouna hatten am Landungssteg gestanden, als die Gefangenen an Deck gestiegen waren, die Männer mit Gipsbein hatten sich auf palästinensische Seemänner gestützt. Einer nach dem anderen war an Land gekommen, Mouna und Carl hatten salutiert, dann jedem die Hand geschüttelt und Adieu gesagt.
Oberleutnant Zvi Eschkol, der offensichtlich keine Vorstellung von der Leistungsfähigkeit moderner Teleobjektive hatte, waren die Tränen gekommen. Er hatte sich zusammenreißen müssen, um Mouna zum Abschied nicht wie Nelson um den Hals zu fallen. Ein Glück für ihn, dass er sich in der letzten Sekunde zurückgehalten hatte, sonst hätte man ihn in seinem Heimatland vors Kriegsgericht stellen können, dachte Carl.
Oberleutnant Eschkol, der Sprecher der israelischen Kriegsgefangenen, hatte später darum gebeten, eine eigene Pressekonferenz abhalten zu dürfen. Und da saßen sie nun. Carl erklärte zu Beginn, da man die Israelis nun nicht mehr als Gefangene betrachte, liefe man auch nicht Gefahr, gegen die Genfer Konventionen zu verstoßen, laut derer man Kriegsgefangene unter keinen Umständen öffentlich vorführen oder demütigen dürfe. Anschließend verließ er den Raum nach einem letzten militärischen Gruß, worauf ihm die Israelis, Gipsarm hin oder her, ebenfalls salutierten. Wahnsinnsbilder.
Nichts, was auf dieser Pressekonferenz gesagt wurde, überraschte Carl. Er verfolgte sie oben in seinem »Büro«, da sie vom südafrikanischen Fernsehen live übertragen wurde. Die Israelis verloren über ihre »U-Boot-Kollegen« – allein das Wort! – kein einziges böses Wort. Einige erklärten sogar, die gute Behandlung an Bord gebe ihnen zu denken. Ihr eigenes Land sei nie so mit palästinensischen Häftlingen umgegangen. Solche Bemerkungen waren Gold wert.
Nach der Pressekonferenz riefen Journalisten aus der ganzen Welt auf den sechs Telefonleitungen an, und Carls neuer Stab war vollauf damit beschäftigt, praktisch alle Anfragen höflich, aber bestimmt abzulehnen.
Eine andere Art von Propaganda war nämlich vorrangig. Carl hatte je einem Drittel der Besatzung vierundzwanzig Stunden Urlaub genehmigt. Während des Ausgangs durfte man im Hotel wohnen, an drei Ausflügen teilnehmen – Robben Island (obligatorisch), Tafelberg und Kap der Guten Hoffnung –, tagsüber durfte man mit gewissen räumlichen Einschränkungen für zweihundert Dollar Souvenirs kaufen und abends in der Gruppe ein Restaurant besuchen.
Während der Anfahrt auf Kapstadt hatte er seiner Mannschaft nicht nur den letzten militärischen Schliff, um nicht zu sagen Drill, verpasst, sondern den Leuten auch gepfefferte Moralpredigten gehalten. Jeder Seemann repräsentiere nicht nur sich selbst, nicht nur die palästinensische Flotte, nicht nur die russische Marine, sondern in erster Linie die berühmteste U-Boot-Besatzung der Welt. Wer sich danebenbenähme, riskiere Ausgangssperre für sich und seine Fünfergruppe. In jeder Gruppe sei ein Mann für das ordentliche Benehmen verantwortlich und würde zur Rechenschaft gezogen, falls einer eine Sauerei machte.
Zumindest in den ersten vierundzwanzig Stunden hatte das Ganze tadellos funktioniert. Die uniformierten Seeleute und Offiziere mischten sich unter die Touristen. Alle durften ihren Order of the Companions of OR Tambo tragen, die südafrikanische Belohnung für große Einsätze im Freiheitskampf. Es gab strahlende Bilder in der internationalen Presse und auf einigen privaten Urlaubsfotos. Am meisten beeindruckten die weiblichen Besatzungsmitglieder des gefürchteten »Terror-U-Boots«.
Die südafrikanische Militärpolizei war auf eine Weise kooperativ, die man nicht nur von ihr speziell, sondern auch von einer Militärpolizei im Allgemeinen kaum erwartet hätte. Nach nur wenigen Stunden hatten alle Besatzungsmitglieder Papiere, mit denen sie das streng abgeriegelte Gebiet um das Hotel Cape Grace mühelos verlassen
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