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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillou
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äußerte man sich zum Beispiel empört über das Massaker an Badenden und Fischern in Gaza. Man hatte zwar ein gewisses Verständnis dafür, dass sich nach Israels Pearl Harbor – die Zeitung verwendete also nicht die Bezeichnung 9/11 – Panik und Verzweiflung im Tzahal, der israelischen Armee, ausgebreitet hatte. Es rechtfertige aber nicht, dass Israel sich selbst mit solchen Wahnsinnstaten diskreditiere. Vor allem angesichts der Tatsache, dass die palästinensische Attacke sich gegen militärische Ziele gerichtet und vergleichsweise wenige Menschenleben gefordert hatte. Das verbitterte Schlusswort lautete, man könne den Terrorismus nicht bekämpfen, indem man ihn selbst betreibe.
    »Wow!«, entfuhr es Mouna. »Ich hatte mehr Blutrünstigkeit erwartet.«
    »Ja, die gibt es natürlich auch. Hätten wir Maariv oder Yediot Aharonot an Bord, würden wir wohl mehr oder weniger einfallsreiche Rachefantasien lesen. Aber das hier gibt es auch. Auch das ist Israel. Mein Israel!«
    Er unterstrich den letzten Satz, indem er mehrmals auf den Zeitungsstapel klopfte.
    »Erzählen Sie mir von Ihrem Israel.«
    »Aber nur, wenn Sie mir von Ihrem Palästina erzählen, General.«
    »Okay, aber Sie sind zuerst dran.«
    Er begann bei seinem Urgroßvater und dessen Brüdern, die Ende des neunzehnten Jahrhunderts in der Ukraine geboren und 1913 ins damals türkische Palästina »zurückgekehrt« waren. Die Brüder hießen Schkolnik, hebräisierten aber sofort ihren Namen, beteiligten sich mit Feuereifer an der Modernisierung der hebräischen Sprache, gehörten zu den Pionieren der Kibbuzbewegung, legten den Grundstein für die Gewerkschaft Histadrut und waren an der Gründung der sozialdemokratischen Partei Mapai beteiligt.
    Folglich waren alle, die in der Familie Eschkol aufwuchsen, Kibbuzniks und Mapainiks und gehörten somit in der Anfangszeit des Yischuw, also der jüdischen Gesellschaft, zur kulturel­len, politischen und militärischen Elite. Diese gehobene Stellung behielten sie noch lange Zeit nach der israelischen Staatsgründung. Sein Großonkel war Premierminister und sogar Verteidi­gungsminister gewesen, allerdings hatte er diesen Posten 1967 kurz vor dem Sechstagekrieg an Mosche Dayan abgegeben, möglicherweise ein kluger Schachzug.
    Es bedeute jedoch nicht mehr dasselbe wie früher, ein Mapainik zu sein, es habe eher etwas Lächerliches an sich, als gehöre man zu einer ehemaligen Machtelite, ungefähr vergleichbar mit dem alten Adel in Europa. Ihr Familiensitz in einem der ältesten Kibbuzim Israels sei längst in ein Wochenendhaus für Freunde und Verwandte umgewandelt worden.
    In seiner Kindheit hatte Zvi die Araber als eine große Masse betrachtet, die das auf der Landkarte so winzige Israel zu überschwemmen drohte. In gewisser Weise hätten er und seine Brüder, Schwestern, Cousins und Cousinen jedoch zwischen den Arabern da draußen und den Arabern zu Hause unterschieden. Im Kibbuz habe es schließlich jede Menge palästinensische Angestellte und Arbeiter gegeben.
    Mouna verkürzte die Geschichte auf höfliche Art und Weise, indem sie sich ihr vorbestelltes Frühstück abholte, das immer noch mit frisch gepresstem tunesischem Apfelsaft serviert wurde. Als sie zurückkam, machte sie unbekümmert einen Zeitsprung.
    »Warum haben Sie sich als erstes Mitglied dieser Pionierfamilie bei der Flotte beworben und nicht, wie alle anderen, bei der Armee?«, fragte sie, während sie sich mit ihrem Frühstückstablett hinsetzte.
    »Oje, verzeihen Sie mir, General. Erzähle ich zu langatmig?«
    »Ganz und gar nicht, aber ich kann mir bereits ein recht gutes Bild machen. Vergessen Sie nicht, dass wir Nachbarn sind. Unsere gemeinsame Geschichte ist mir nicht gerade unbekannt. Sie waren also der Erste, der sich bei der Flotte beworben hat.«
    »Ganz richtig.«
    »Okay, warum die Flotte und nicht die Armee?«
    Er nickte seufzend, als hätte sie – absichtlich – einen wunden Punkt getroffen. Er zuckte mit den Achseln und erzählte ihr, diesmal weniger ausführlich, wie es dazu gekommen war.
    Er war der jüngste der drei Brüder. Levi und Schlomo hatten vor ihm Wehrdienst geleistet. In seiner Familie sei es verpönt, sich davor zu drücken, auch wenn die Mehrheit die drei Jahre als Zeitverschwendung betrachte.
    Levi und Schlomo hätten die Armee gehasst. Mit ihrer Abneigung stünden sie nicht allein da, falls Mouna das gedacht habe. Denn in den vergangenen Jahrzehnten habe der Militärdienst beinhaltet, Palästinenser an den

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