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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillou
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Straßensperren zu schikanieren, die Ausweispapiere von Frauen zu verlangen, die offensichtlich gerade ein Kind zur Welt brachten, Schulkinder mit irgendeiner weit hergeholten Begründung wieder nach Hause zu schicken, Gemüsehändler stundenlang aufzuhalten, bis ihre Tomaten vor Überhitzung platzten, Siedler zu beschützen, die über Nacht den Olivenbaum ihres palästinensischen Nachbarn gefällt hatten, und tausend andere Dinge dieser Art zu tun. Zu Beginn sei man fleißig, mit der Zeit aber werde man entweder zum Rassisten, oder der Dienst ekle einen an. Es gebe nur die zwei Möglichkeiten. Die ganze Welt frage sich, was die Besetzung mit den Palästinensern mache. Was sie für Israel bedeute, interessiere niemanden.
    Seine älteren Brüder gehörten zu denen, die angewidert gewesen seien. Nein, mehr als das, sie seien so verzweifelt gewesen, dass sie sich der Bewegung »Offiziere für den Frieden« hatten anschließen wollen und lieber ins Gefängnis gegangen wären, als weiter in den besetzten Gebieten Dienst zu tun. Aber ihre Eltern, Onkel und Tanten wären durchgedreht, wenn sich ein Mitglied der Pionierfamilie diesen »Landesverrätern« angeschlossen hätte.
    Die Flotte sei für ihn ein Ausweg gewesen. Zur See habe es ja keinen palästinensischen Feind gegeben. Das sei ein sauberes Gebiet gewesen. »Die U-Boote sollten fremde Kriegsschiffe abwehren, Spezialtruppen wie die Sajeret Matkal zu geheimen Operationen im Ausland befördern oder …«
    Hier machte er eine Pause.
    »Oder mithilfe der eigenen tödlichen Waffen Israels äußersten und letzten Schutzwall gegen den Vernichtungsschlag bilden«, ergänzte Mouna.
    »Dazu kann ich keinen Kommentar abgeben«, sagte Oberleutnant Eschkol und verschloss sich wie eine Muschel.
    »Natürlich nicht. Glauben Sie mir, das hier ist kein hinterlistiges Verhör. Wir führen weit draußen im Atlantik ein Gespräch unter Nachbarn. Warten Sie, sagen Sie es nicht! Ich werde es selbst sagen, und dann fahren wir fort. Wir haben sicherheitshal­ber die radioaktive Strahlung gemessen, die von den Überresten der Tekuma ausging, bevor wir unsere Rettungsmannschaft hin­geschickt haben. Sie hatten Atomwaffen an Bord. Ihre Popeye-Raketen können den Iran sogar vom Mittelmeer aus erreichen, oder noch leichter von dem U-Boot in Eilat, das im Roten Meer patrouilliert. Das wissen wir.«
    »Kein Kommentar, General.«
    »Gut, dann haben wir es hinter uns. Die Flotte war also ein annehmbarer Kompromiss für Sie, weil Sie auf diese Weise die Familientradition wahren konnten, ohne werdende Mütter drangsalieren zu müssen?«
    »So ungefähr. Weil die Palästinenser keine Flotte haben.«
    Letzteres sagte er mit einem ironischen Lächeln, zuckte die Achseln, ging ans Büffet und streckte demonstrativ die Arme nach dieser mehr als greifbaren palästinensischen Flotteneinheit aus.
    Sie mochte ihn. Es war einfach so. Aber als ob sie sich dieser menschlichen Regung schämte, führte sie sich vor Augen, wie sie sich selbst als Gefangene auf einem israelischen U-Boot gefühlt hätte, zum Beispiel auf der Tekuma. Sie wusste schließlich ziemlich genau, wie ihr Volk in israelischen Gefängnissen behandelt wurde, viel zu viele ihrer Agenten hatte sie in den Tod geschickt.
    »Und Sie, Nachbarin und General? Erzählen Sie mir von Ihrem Palästina«, forderte er sie auf, als er mit einem Glas arabi­schem Mokka und einer russischen Mandelpirogge zurückkam. »Stimmt das, was in den Zeitungen steht?«
    Er klopfte auf den Stapel englischer und amerikanischer Zeitungen, der neben ihm auf dem Tisch lag. Auf allen waren Bilder von ihr zu sehen.
    »Tja«, sagte sie matt. »Das meiste stimmt, aber es wird auf eine Weise dargestellt, dass man es kaum wiedererkennt. Vielleicht liegt es an den Formulierungen. Tötete ihre ersten Juden im Alter von acht Jahren. Das ist inhaltlich richtig. Ich kann mich daran erinnern, aber die Beschreibung sagt mir trotzdem nichts. Als sie damals mit Bulldozern unser Haus in Gaza zerstört haben, war meine Großmutter noch drin. Sie starb in den Schuttmassen. Es ist durchaus möglich, dass sich einer aus meiner Familie etwas zuschulden hatte kommen lassen, ich war ja eine von den Kleinsten. Und natürlich hasste ich die Leute, die unser Haus niedergerissen hatten, die Israelis, die ich nie aus der Nähe gesehen habe. Es waren Männer mit Helmen und Waffen, die in ihren Panzern und Halbkettenfahrzeugen durch die Staubwolken donnerten. Irgendjemand, ich weiß nicht mehr, wer es war,

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