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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillou
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Gedanken zu sammeln.
    Wer war das Superhirn hinter all dem? Vielleicht war diese Frage im Moment nicht vorrangig, aber diese Demonstration weicher Macht wirkte in ihrer Kraft geradezu bedrohlich. Sie trugen Krawatten oder Uniformen, sprachen ausgezeichnet Englisch – Osama bin Laden mit Vollbart, Nachthemd und Küchenhandtuch auf dem Kopf brabbelte auf Al-Dschasira immer nur unverständliches Zeug –, und hatten rein gar nichts mit dem Bild zu tun, das man sich normalerweise von Terroristen machte. Sie wandten sich in erster Linie an ein westliches Publikum, nahmen nie das Wort Gott in den Mund und waren daher die gefährlichsten Terroristen, die bislang in diesem langen Krieg in Erscheinung getreten waren.
    Das war eine Tatsache. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als tief durchzuatmen und in ungefähr einer Stunde Rummy davon abzuhalten, Kapstadt in Schutt und Asche zu legen. Sie nahm den Hörer in die Hand und erledigte das traurige Telefonat zuerst. Wie schon viel zu oft war sie gezwungen, ihrer Tante in Birmingham zu sagen, dass sie augenblicklich im Weißen Haus zu erscheinen habe. Wie immer akzeptierte ihre Tante die Entschuldigung klaglos und nahezu unterwürfig.
    Nein, korrigierte sie sich selbst, als sie im Fond der schwarzen Limousine saß, die sie ins Weiße Haus brachte. Es war nicht Unterwürfigkeit, sondern Stolz. Ihre Tante war in einer Zeit aufgewachsen, in der Schwarze auf speziellen Sitzen im hinteren Teil des Busses Platz nehmen mussten, kein Wahlrecht hatten und schwarze Kinder nicht mit dem Schulbus fahren durften. Und nun war ihre kleine Condie Außenministerin der besten Demokratie der Welt. Es musste Stolz sein.
    Sie musste an ihr Verhältnis zu George und seiner Frau denken. Sie waren weder besonders intelligente noch gebildete Menschen. Unter ihren Professorenkollegen in Stanford hätte er wenig hergemacht. Aber Demokratie erforderte nicht, dass alle intelligent waren. Vielmehr wollte die amerikanische Demokratie allen Menschen die gleichen Chancen bieten. Und George war vom amerikanischen Volk gewählt worden, er war der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, und er nahm seinen Auftrag in einem tief religiösen Sinne ernst. Das zählte. Es war nicht so wichtig, dass er manchmal etwas durcheinanderbrachte oder Dinge sagte, die Menschen wie sie befremdeten, weil Gott sie mit ein bisschen mehr Hirnschmalz gesegnet hatte. Wenn sie den Auftrag, den ihr die amerikanische Demokratie erteilt hatte, genauso ernst nahm wie er, musste sie stets ihr Bestes tun, um George zu unterstützen. Ungefähr so, wie man seinem alten Vater auf die Sprünge half, der nie die Möglichkeit gehabt hatte, so gute Schulen zu besuchen wie man selbst. In ge­wisser Weise war George eine Vaterfigur für sie, oder zumin­dest so etwas wie ein großer Bruder. Abgesehen von ihrer Tante in Birmingham waren er und die First Lady ihre Familie. Für eine andere Familie würde sie ihre Karriere wahrscheinlich nie Platz lassen. Wer machte schon der Außenministerin der Vereinigten Staaten den Hof? Die Männer wagten nicht einmal, mit ihr zu flirten.
    Als sie das Oval Office betrat, starrte der Präsident schlecht gelaunt vor sich hin und murmelte etwas vom Tag des Herrn und technischen Problemen. Er hatte Dick Cheney, der in seinem Wochenendhaus in Wyoming weilte, Donald Rumsfeld in Taos in New Mexico und den neuen und immer furchtbar nervösen CIA-Chef zu einer geschlossenen Videokonferenz zusammengetrommelt.
    Man hatte die Kameras und Bildschirme so aufgestellt, dass George W. Bush auf seinem Stuhl vor dem Kamin und Condoleezza Rice auf dem Stuhl saß, der für andere Staatschefs oder hochrangige amerikanische Gäste reserviert war. George W. Bush war es wichtig, dass er seinen Gesprächspartnern in die Augen gucken konnte, und wollte vor allem, dass die anderen seinen Blick sahen.
    Als die Techniker endlich alle Kabel unter Kontrolle hatten und George mit seinem Gebet fertig war, forderte er den Verteidigungsminister auf, seinen Standpunkt darzulegen. Condoleezza Rice war nicht sicher, ob dies ein ausgesprochen kluger oder ganz und gar unkluger Schachzug war.
    Denn natürlich legte Rummy sofort los. Als Erstes wies er darauf hin, dass man sich vor einiger Zeit geeinigt habe, das U-Boot sicherheitshalber erst dann anzugreifen, wenn man die Lage voll im Griff hätte. Nun sei dieser Moment gekommen. Dies sei ein todsicherer Elfmeter. Noch dazu ein Elfer ohne Torwart. Die Kollateralschäden wären minimal, zwei

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