Coq 11
Rummy merkte, wie ihm geschah.
Nach der Konferenz guckte Condoleezza Rice auf die Uhr. Es blieb immer noch genügend Zeit für einen Besuch bei ihrer Tante in Birmingham, wenn sie sich ein Regierungsflugzeug von der Andrews Air Force Base auslieh. Es war zwar nur in Notfällen gestattet, aber das hier war einer.
Rummy dagegen hatte keinerlei Freizeitaktivitäten geplant und wollte im Gegensatz zum Präsidenten auch keinen Gottesdienst besuchen. Er war wieder auf dem Weg in sein Büro im Pentagon. Das Problem war simpel. Wie beförderte man die bestausgerüsteten U-Boote der amerikanischen Flotte schnellstmöglich in einen Hinterhalt vor Kapstadt? Immer noch bot sich eine ausgezeichnete Gelegenheit für einen Elfer.
Als Mouna aus dem Fenster blickte, tippte sie, dass sie sich über dem Sudan befand. Nur hier gab es diese unendliche bergige Wüstenlandschaft.
Sie hatte abwechselnd geschlafen und einem Hörbuch mit einer für ihren Geschmack etwas zu dramatischen Lesung von Krieg und Frieden gelauscht. In der Hitliste an Bord, wo man von Turgenjew bis Wyssozki alles fand, rangierte dieses Hörbuch auf Platz vier.
Sie war die einzige Nichtfarbige in der ersten Klasse der Maschine der South African Airways auf dem Weg nach London. Da die vier Männer in ihrer Nähe immer wieder versuchten, Kontakt mit ihr aufzunehmen, hatten sie mit Sicherheit nicht bemerkt, dass sie die Frau war, die auf allen Zeitungen prangte. Es war ihr nicht vollständig gelungen, sich wie eine elegante Dame aus der europäischen Oberschicht auszustaffieren, obwohl sie immerhin eine Gucci-Sonnenbrille ergattert hatte, die sehr teuer und sehr merkwürdig aussah. Da die Boutiquen an Kapstadts Waterfront für Mittelklassetouristen gedacht waren, trug sie typische Sommerkleidung. Der Londoner Winter würde sie kalt erwischen. Es war jedoch ein gutes Zeichen, dass sie sich in erster Linie Gedanken über ihren Einkaufsbummel machte. Alles andere lag ja jetzt in Gottes Hand, wie die Idioten in der Regierung ihres eigenen Landes sagen würden.
Eine Bitte der amerikanischen Außenministerin lehnte man nicht ab. Das war einfach so. Diese Alternative existierte gar nicht.
Kein Anruf in ihrem ganzen Leben war so überraschend gekommen. Während des Banketts am zweiten Abend – Thabo Mbeki hatte soeben einige südafrikanische Orden verliehen, und der zu ihrer Verwunderung leicht angeheiterte Präsident Abbas hatte sie gerade zum Konteradmiral und stellvertretenden Chef der palästinensischen Flotte befördert – hatte sich der südafrikanische Präsident mit einem Mobiltelefon in der Hand erhoben und war zu ihr herübergekommen.
Es war natürlich eine unvergessliche Szene, ein richtig komischer Sketch. Oder besser gesagt, wie ihr einige Sekunden später klar geworden war, ein treffendes Bild für die Machtverhältnisse auf der Welt.
»Es ist für Sie, Konteradmiral«, hatte Präsident Mbeki gesagt und ihr ohne Umschweife das Telefon gereicht.
»Hallo, Konteradmiral Mouna al-Husseini am Apparat«, hatte sie sich kichernd gemeldet, weil sie das Ganze für einen Scherz gehalten hatte.
»Guten Abend, Madame Admiral, hier spricht Condoleezza Rice, die Außenministerin der Vereinigten Staaten von Amerika. Tut mir leid, dass ich Sie beim Essen störe.«
»Einen Augenblick, bitte«, hatte Mouna geantwortet, war hastig vom Tisch aufgestanden und mit schnellen Schritten auf eine geöffnete Balkontür zugeeilt. »Das ist ein überraschender Anruf, muss ich gestehen. Was kann ich für Sie tun, Madame Außenministerin?«
»Treffen Sie sich übermorgen in London mit mir, oder zumindest in der Nähe von London. Nur wir zwei. Inoffiziell, kein Presserummel. Okay?«
»Warum ich und nicht mein Präsident?«
»Weil ich keine ranghöhere Person treffen darf, weil ich mit Ihnen ungezwungen sprechen kann, weil sich am Ende vielleicht Ihr Präsident mit meinem trifft. Es hat mit den diplomatischen Gepflogenheiten zu tun.«
»Ich muss erst meinen Präsidenten zu Rate ziehen. Woher weiß ich, dass Sie keine israelische Stimmenimitatorin sind?«
»Ihre Geistesgegenwart gefällt mir, Madame Admiral. Wir haben den Flug über die amerikanische Botschaft in Pretoria buchen lassen. Ein Botschaftsangestellter wird Sie morgen früh abholen und zum Flughafen bringen. In Heathrow wird Sie Sir Evan Hunt vom MI6 mit einem seiner Assistenten abholen. Ein Schotte, dessen Name mir leider entfallen ist. Ich glaube, Sie kennen ihn.«
»Okay, Sie sind ebenfalls geistesgegenwärtig,
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