Cora Historical Gold - 129 - Die Novizin
welche Ihr schon gesehen habt … eine von denen, die Euch barbiert haben.«
Eilends rief er sich das Bild der Mädchen wieder ins Gedächtnis und kam zu dem Schluss, dass er sie eigentlich alle liebreizend gefunden hatte und sie vermutlich auch genügend »Tugend« besäßen. Daher würde sich wohl jede von ihnen für seine Zwecke eignen. Er sah Basset an, der ihm eifrig zunickte.
»Sehr wohl. Ich werde diese ›Sittenrichterin‹ mit in mein Haus nehmen. Aber Ihr müsst mir gleich nach Erhalt ihres Schreibens eine Braut schicken.«
Die Miene der Äbtissin hellte sich leicht auf.
»Das werde ich tun.«
»Ich soll was?« fragte Eloise, der das Herz bis zum Hals schlug. Sie stand im Audienzzimmer, wo ihr die Äbtissin und Archibalda einen Stapel von Schriftstücken zeigten und ihr ihre Mission zu erklären suchten.
»Ihr übernehmt alsbald das Richteramt in der Ehesache Lord Peril …«
»Aber das ist mir ja völlig neu. Von der Existenz dieses Amts wusste ich noch gar nichts.«
»Das ist keine ständige Einrichtung«, sagte die Äbtissin mit einem verschwörerischen Seitenblick auf Schwester Archibalda, die offenbar etwas sagen wollte. Die ältere Nonne faltete ihre knotigen Hände und hielt den Mund. »Nur wenn sozusagen Not am Mann ist. Und das ist so ein Fall. Seine Lordschaft, der Earl of Whitmore, braucht eine Braut, aber ich kann ihm keine unserer Jungfrauen schicken, bevor ich weiß, ob sein Heim und seine Person geeignet sind. Diese Aufgabe fällt Euch nun zu: Seine Lordschaft und dessen Heim auf Tauglichkeit zu überprüfen.«
»Aber ich habe doch nicht die geringste Ahnung, wo ich anfangen soll. Ich verstehe nichts von Ehemännern, weder von guten noch von schlechten.«
»Ein Zustand, welchen Ihr ändern müsst, wenn Ihr jemals …« Sie hielt inne, offenbar etwas beunruhigt über das, was ihr beinahe entschlüpft wäre. Eloise merkte auf und versuchte, den Satz zu Ende zu denken. »Eure Unerfahrenheit schadet nichts.« Mit einer wegwerfenden Handbewegung wandte sich die Äbtissin nun der ledernen Hülle mit den Dokumenten zu, die vor ihr auf dem Tisch lag. »Ihr müsst lediglich die hier aufgeführten Eigenschaften und Umstände überprüfen und mir den Bericht schicken. Wenn ich Eure Beschreibung gelesen habe, kann ich die richtige Braut für Seine Lordschaft auswählen.«
Eloise hatte immer noch Schwierigkeiten, das Ausmaß der Mission zu begreifen, die ihr da übertragen wurde. Eine lange Reise war erforderlich, in ein fremdes Land … in Gesellschaft des zornmütigen Edelmanns …
»Ich kann mir nicht helfen, aber ich meine, dass sich für dieses Unterfangen eine andere besser eignen würde. Ein solch schwer wiegendes Urteil zu fällen …«
»Eloise d’Argent«, sagte die Äbtissin scharf, »dies ist nicht die Zeit, Euch in Demut zu üben. Ich habe Euch auserwählt, weil …« Sie hielt inne, um ihren Zorn zu zügeln, und sah, wie Eloise den Blick senkte und den Atem anhielt. »Weil Ihr Euch so gewissenhaft bemüht habt, buchstäblich alles in diesem Kloster zu lernen. Wer könnte besser als Ihr – unsere eifrigste, nimmermüde Schülerin der guten Haushaltsführung – beurteilen, ob Haus und Hof gut in Schuss sind? Überdies verseht Ihr Eure Pflichten getreulich und hartnäckig wie keine Zweite in unserer Gemeinschaft. Ich glaube, wir können Euch zutrauen, die Wahrheit herauszubringen, selbst wenn sie sich auf dem Abort des Königs verbergen sollte.«
Welch ein Lob! Eloise fühlte sich etwas benommen über die plötzliche Wende ihres Schicksals.
»Aber ich bin doch nur Novizin.«
»Das ist wohl wahr.« Die Bestätigung durch die Äbtissin beruhigte Eloise seltsamerweise.
»Sicher würde eine der älteren Schwestern …«
»Die haben alle ihre Pflichten. Ich glaube allerdings, voraussagen zu können, dass Ihr nach der Erfüllung Eurer Mission nicht viel länger mehr Novizin sein werdet.« Die Äbtissin erhob sich und kam langsam um den Tisch herum. »Um die richtige Aufgabe für Euch zu finden, wurden wir beide mehr als einmal auf eine harte Probe gestellt.« Sie senkte ihre Stimme. »Ich glaube, wir haben endlich doch erkannt, was unser lieber Herrgott Euch vorherbestimmt hat.«
Eloises Augen füllten sich mit Tränen, und in ihrem Herzen keimte gleichzeitig Hoffnung.
»Ich zweifelte nicht an Eurer Weisheit, ehrwürdige Mutter, weil Ihr mir diese Aufgabe übertragt. Nur daran, ob ich sie auch erfüllen kann. Aber jetzt, wo ich sehe, dass Ihr an mich glaubt …« Sie fiel
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