Coruum Vol. 2
»und auch keine überlieferten Erzählungen von Zeitzeugen, die ihn jemals gesehen haben sollten – dass der Adjutant von Harkcrow, Oldo Merceer, ein Sole-Sourcer gewesen ist.«
Ich verstand die Dramatik dieses Augenblicks erst viele Wochen später, nachdem ich in mühseliger Kleinarbeit mit Fergus und Warren die Chronologie des Roten Nebels grob aufgeschrieben hatte. Im Moment war ich nur verblüfft zu sehen, dass offenbar auch in sehr fortgeschrittenen Gesellschaften immer noch genügend Raum für bahnbrechende Neuigkeiten blieb.
Keleezes Reaktion bestand in Schweigen. Er hatte wieder begonnen, um die Maschine herumzugehen, beide Hände auf dem Rücken verschränkt, den Blick auf den Boden.
»Bevor ich bereit bin, das zu akzeptieren, Syncc«, sagte er quer durch den Raum ohne aufzusehen, »möchte ich wissen, was wir dann hier finden.«
Er blieb vor der Maschine stehen und winkte Marwiin zu sich heran.
Der alte Mann ging langsam zu ihm.
»Euer Adjutant hat die auf Restront entschlüsselten Codes übertragen, Siir. Benutzt den für Coruum.«
Keleeze sah ihn eigenartig an. Dann bediente er mit der rechten Hand den Ring am kleinen Finger der linken, ohne Marwiin aus den Augen zu lassen.
Lautlos detonierte eine raumfüllende Lichtkugel im Innern der Maschine oberhalb der nach innen gewölbten Oberfläche. Alle rissen die Köpfe nach oben und betrachteten staunend die aus Licht geformten Informationsfragmente.
Vielflächige geometrische Körper füllten die Kugel vollkommen aus. Soweit ich das von meinem Standpunkt aus beurteilen konnte, waren diese Vielecke – ich schätzte, es waren wenigstens Dodekaeder oder Ikosaeder von der Größe meiner Faust – regelmäßig zueinander angeordnet. Ihre Flächen – ich konnte meinen Blick nicht lange auf eines der Vielecke fokussieren, ohne dass meine Augen zu schmerzen begannen – waren transparent oder farbig. Ich ging so dicht an die Darstellung heran, wie die Brüstung es zuließ. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Warren und Fergus ebenfalls langsam näher kamen, vollkommen im Bann der Darstellung.
Der Eindruck der scheinbaren Regelmäßigkeit der Körper löste sich bei der Betrachtung aus der Nähe auf. Ich versuchte, nur drei benachbarte Vielecke im Blick zu behalten und sah, dass sie sich ständig neu ausrichteten, wobei immer parallele Flächen der Vielecke zueinander zeigten, zwischen denen der Abstand immer gleich blieb. Diese Kontaktflächen wechselten den Grad ihrer Transparenz auf unvorhersagbare Weise. Mal waren die Flächen vollkommen durchsichtig, nur an feinen Gitterrahmenlinien zu erkennen, die selbst wie pulsierende Laserstrahlen erschienen, mal wirkten sie massiv weiß oder schwarz. Im Abstand von Sekundenbruchteilen durchliefen sie Teile des Farbspektrums oder brachen in geordnete Fragmente auf, die ihrerseits wie ein Mandelbrotalgorithmus die gleiche Struktur der Vielecke in einer verkleinerten Version zeigten, die über die Grenze der Auflösung meiner Augen hinausging.
Ich wandte mich ab, mein Kopf schmerzte. Warren putzte sich seine Brille, den Blick starr und angespannt zu Boden gerichtet. Keleeze und Marwiin standen etwas abseits, Keleeze unter seinen Brillenbügel in die Betrachtung von irgendwelchen Darstellungen vertieft, die sich uns entzogen, Marwiin betrachtete eigene Grafiken und Texte auf seinem holografischen Schirm.
»Das ist eine unvorstellbare Codemenge, Don«, sagte Fergus zu mir, angestrengt die Augen zusammenkneifend. »Das sieht aus wie ein Computer, der über eine Art Prozessor verfügt, die weit jenseits einer Binärdarstellung von ja und nein agiert und das mit einer Parallelität, die selbst unsere Gehirne um Potenzen übersteigen dürfte.«
»Wenn das nicht untertrieben ist, Fergus«, sagte Warren ehrfurchtsvoll. Er zeigte mit einem Bügel seiner Brille auf eines der Vielecke. »Das ist vollkommen dynamisch. Bei Bedarf werden weitere Potenzen von Verknüpfungen hinzugezogen. Ich traue mich nicht, Abschätzungen über die Leistungsfähigkeit dieses Dings anzustellen.«
Er setzte die Brille behutsam wieder auf und ich bemerkte zum ersten Mal, wie sehr das Stück unter den Ereignissen der letzten Tage gelitten hatte.
»Das lässt sich bis zu einem gewissen Grad mit unserem Gehirn vergleichen, Fergus«, fuhr er fort. »Jedes dieser Vielecke ist dann eine Synapse. Zwischen parallelen Flächen benachbarter Synapsen werden Informationen ausgetauscht. Nur was unser Gehirn nicht kann, ist, bei Bedarf anstelle einer
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