Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)
er Polypen.
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich werde mich mal umhören, Schatz.« Aber er bot mir Hilfe an. Die ersten warmen Worte seit der Hilflosigkeit von Herrn Bergmoser. Woher wusste er …?
Mit dem Tee ging ich zu meinem Platz zurück, setzte mich. Die warme Tasse brannte an meinen kalten Händen, die heiße Flüssigkeit in der Speiseröhre. Was für eine Wohltat.
Erneutes Öffnen der Tür, Stimmen, lachende Menschen, ein kalter Lufthauch. Schnell hinschauen. Darius? – Nein.
Eine gedrungene Gestalt, ein fleischiges Gesicht, Aknenarben – ein Schlag in den Magen: Fritz.
Fritz vergnügt mit einem Freund. Sie stellten sich an den Tresen, bestellten etwas. Ein Blick, der auf mich deutete, Schulterzucken, bevor der Beleuchter sich umdrehte.
War die Vorstellung schon vorbei? Hatte er frei oder auch seine Arbeit verloren?
Schmieriges Grinsen. Er winkte, wendete sich wieder dem Mann am Tresen zu.
›Kannst du für eine Nacht jemanden aufnehmen, Süßer?‹
›Wie sieht er denn aus?‹
›Der Schatz sitzt da hinten am Tisch.‹
Umdrehen, grinsen, winken, umdrehen.
›Den bestimmt nicht.‹
Die Fäuste ballen, mich am Stuhl festklammern, trotzdem aufstehen, die Wut verpacken, die Beherrschung zum Tresen tragen.
Ganz nah an Fritz heran, zwischen ihn und seinen Bekannten, eindringen in seinen persönlichen Raum, mich nach vorne beugen – er klein, ich groß.
»Bist du jetzt glücklich?«, zischte ich. »Hast du erreicht, was du wolltest?« Ich berührte ihn nicht, führte nur meine Arme um ihn herum, die rechte Hand am Tresen, die linke Hand am Tresen, dazwischen Fritz. Sprachlos. »War es das wert? Hat es dir nicht gereicht, dass ich Praktikums- und Studienplatz verloren habe? Musstest du auch noch zu meinen Vermietern gehen?«
Der Freund versuchte zu helfen, meinen Arm vom Tresen wegzuziehen, Fritz eine Fluchtmöglichkeit zu verschaffen, aber ich war zu wütend, zu sehr in Rage.
»Was ist hier los, meine Süßen?«, fragte die Bedienung. »Macht das Schätzchen Ärger?«
»Ja.«
»Ja.«
»Nein!«, rief ich. Der Freund war hinter mich getreten, zog mich an beiden Armen, griff darunter um meine Brust, um eine bessere Hebelwirkung zu erzielen. So kräftig war ich nicht, so viel Halt bot der Tresen nicht.
»Hach, und dir wollte ich helfen.« Die Bedienung schüttelte verständnislos den Kopf. »Wenn du dich nicht ganz schnell wieder hinsetzt und still bist, schmeiß ich dich raus, Schätzchen, hast du verstanden?«
»Was hast du meinen Vermietern gesagt?«, brüllte ich Fritz an, wendete mich zu dem Mann am Tresen und schrie weiter: »Und dem hilfst du? Einen Erpresser, einen Verräter? Jemanden, der Geld verlangt, weil du nicht mit ihm schlafen wolltest und dich beim Arbeitgeber und beim Vermieter anschwärzt, wenn du nicht zahlst?«
»Das reicht, Süßer. Im Moment bist du doch der Verräter, der Fritz bei mir anschwärzt, oder?«
Der Freund schubste mich in die Richtung meines Platzes, Fritz stieß sich lässig vom Tresen ab und kam ein paar Schritte hinter mir her. »Das mit deinen Vermietern war leicht«, zischte er für die anderen nicht zu hören. »Ein Heft in einem Umschlag. Du würdest es haben wollen. Es musste nur herausfallen, als ich es überreichte. Selbst Schuld. Hättest du nicht so geprahlt, sondern gezahlt, wäre dir das nicht passiert.«
Bevor ich zuschlagen konnte, schubste er mich weiter. Der Freund kam, hielt Fritz von hinten fest, redete beruhigend auf ihn ein, sah mich giftigen Blickes an. »Verschwinde bloß.«
Ich wollte toben, kreischen, Fritz alle Knochen brechen. Ich wollte raus. Dufflecoat anziehen, Rucksack schultern, giftigen Blicks an den Dreien vorbeischleichen.
»Deinen Tee übernehme ich«, rief Fritz hinter mir her.
Ja nicht umdrehen. Tür öffnen. Verschwinden.
Die Bewegung wärmte nicht mehr, der Rucksack lastete schwer auf meinen Schultern, die Schritte waren schwer.
Wo war Darius?
In den Gebüschen des Platzes raschelte der Frost, in meinem Kopf kreischte die Leere. Keine Richtung, kein Ziel, keinen Plan. Nicht mal Gedanken um einen Plan. Die Füße lenkten mich, nicht ich die Füße. Die kurze Zeit in der Wärme ließ den
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