Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)
wohnte? Ich würde ihn in meinem Strudel reißen, wie Fritz mich, würde ich vielleicht ihn verraten, nur, weil ich nach ihm fragte.
»In einer halben Stunde schließen wir«, plärrte die Kassiererin, wünschte mir keine angenehme Entspannung, wie sonst.
»Ich weiß. Ich beeile mich.«
Eintauchen, unter dem Schaum verstecken, im warmen Wasser Schutz suchen, der Stimme nicht entkommen, die in mir schrie: Darius!
Nie wieder sein Lachen sehen, seine Tolle, die braune Haut, die dunklen Augen. Nie wieder seine Finger spüren, während sie meine Geheimnisse aufsogen. Nie wieder Geschichten erzählen, ohne zu reden, einfach, indem ich mich ihm überließ. Nie wieder seine Nähe.
Darius! Was habe ich dir getan, was ließ dich stutzen in unserer letzten Nacht, was deine Sachen packen, dein Bett abziehen und verschwinden? Warum hast du mich verlassen?
Tränenlos flennen, zu viel Schmerz, um wenigstens bei der Erinnerung an ihn zu onanieren, nur der Name als Schrei in mir, als hätte ich ihn an der Klippe nicht halten können und seinen Sturz in die Schlucht ansehen müssen.
Darius!
Türklopfen. »Noch zehn Minuten!«
»Ja!«
Was ist passiert, weshalb ich es nicht mehr bin? Du bist doch so sicher gewesen, hast mich eingeladen, mich überredet, als ich zweifelte, hattest Pläne. Du hast mich gestützt und gestärkt, wolltest mir einen Weg zeigen. Du bist in mich gekrochen und hast mich eingelassen. Wir hatten doch Spaß zusammen, haben uns geliebt. Warum ist das zusammengebrochen? Es kann doch nicht nur das Gesetz gewesen sein, das uns die Liebe verbot?
Darius!
»Noch fünf Minuten.«
»Ich bin ja schon soweit.«
Abtrocknen, anziehen, das Handtuch zusammenlegen und in den Rucksack pressen, irgendwie. Wenn ich zur Ruhe käme, würde ich es gut gebrauchen können. Es war besser, als keine Decke zu haben. Irgendwann musste ich ja schlafen.
Türklopfen.
Tür öffnen, bevor die Stimme etwas rufen konnte.
»Wurde auch Zeit.«
Hinaus in den Winterwind, planlos, ziellos, allein.
Mit feuchten Haaren in die Kälte, in den nagenden Frost. Der Nachthimmel – anthrazitfarben, die Straßenlaternen – hellgrau, die Bürgersteige – schmutzig grau, das Pflaster – dunkelgrau, die Häuserwände …
Schwarz-weiße Zeit.
Gehen, um die Schritte zu spüren, die Füße zu wärmen, in Bewegung zu bleiben. Gedanken – nicht zu greifen, mächtig. Motor im Leerlauf.
Wo war Darius?
Die Wege an der Isar – grau, die Wiesen – von Raureif überzogen – grau, der Fluss – schwarz, die Uferbänke …
Vorbeiziehendes graues Leben, während ich auf der Stelle trat.
Wo war Darius?
Das Licht hinter den Fenstern – gelb, die Straßenbeleuchtung – gelb, die erleuchteten Scheiben der Kneipen – vergilbt …
Musik, fröhlicher Lärm, streitender Lärm, trunkener Lärm, einladendes stagnierendes Leben, an dem ich vorbeilief, wie ein Ausgestoßener.
Wo war Darius?
Vielleicht beim Tanz?
In den Vereinsräumen? War er nicht dort gewesen, während ich den Rucksack für unsere Reise packte?
Die Schritte bekamen ein Ziel, eines, das ich bestimmte. Ich konnte sie wieder lenken, ihnen befehlen, mich zum Gärtnerplatz zu bringen. Der Frost biss ins Gesicht, in die Zehen, in die Finger – nicht mehr lange. Bald würde ich ins Warme kommen, die Räume der Humanitären Lebensgestaltung betreten, unter Gleichen sein, unter Menschen, von denen schon einige aufgrund ihrer Vorliebe Arbeit, Zimmer und Leben verloren hatten. Und Darius sehen. Wut beim Blick zum Theater. Wie scheinheilig es beleuchtet war, wie festlich in Glanz gehüllt. Heile Operettenwelt. Schnell weitergehen. Hoffnung nicht verderben lassen. Nicht einmal gewohnheitsgemäß umschauen, bevor ich die Tür öffnete.
Drinnen – Stille. Umschauen. An wenigen Tischen saßen Männer, leise in Gespräche vertieft. War Darius dabei? Suchen. Ergebnislos. Kopf senken, ins Leere starren. Die Tür hören, die geöffnet wurde, schnell umdrehen. Darius? – Nein.
Einen Platz suchen, nur um den Rucksack abzulegen.
Am Tresen bestellte ich mir heißen Tee. Ein Lächeln. »Hast du eine Unterkunft für die Nacht, Süßer?« Die Stimme. So nasal als hätte
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