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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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hat Euch das angetan, Bezauberndste?“
    Ich schnaufte und stand auf, doch dann bemerkte ich Voraks Grinsen. „Du bist ein unmöglicher Zwerg!“, lachte ich und stupste ihn an die Schulter.
    „Ich bin, wie ich bin“, sagte er. „Aber eins bin ich sicherlich nicht, ein Zwerg!“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und setzte eine säuerliche Miene auf. „Ich bin Vorak Tyr Hjálmarr der Dritte“, sagte er mit fester Stimme, „die Wurzeln meiner Vatereiche reichen tief hinab ins Innere der Welt. Mein Stamm ist älter, als der Mond, fast so alt wie Mutter Eiche selbst.
    „Entschuldige, Vorak.“ Ich nahm seine knotige kleine Hand in meine. „Ich wollte dich nicht beleidigen, aber seit ich hier angekommen bin, machst du dich über mich lustig.“
    „Hm“, machte er nur und beobachtete wieder die Vögel.
    „Du bist kein Zwerg, das sieht man auf den ersten Blick.“ Ich rieb mir über die Stirn und unterdrückte ein Grinsen. „Zwerge sind viel grobschlächtiger und haben nicht deine Grazie und Liebreiz.“
    „Ich will verdammt sein, wenn du nicht das frechste Menschenwesen bist, das mir je unter die Augen getreten ist!“ Er machte eine Pause und musterte mich mit zusammengekniffenen Augen. „Offensichtlich funktioniert dein Sprachapparat noch ausgezeichnet, im Gegensatz zu deinem Gehirn!“
    „Komm schon, lass uns ein paar Schritte gehen und reden.“ Ich fasste ihn bei der Hand und zog ihn mit mir. Johnny wich uns nicht von der Seite. „Dann waren die Geschichten Wirklichkeit? Alle?“, fragte ich nach einer Weile, als wir die Siedlung verlassen hatten und durch den Wald gingen.
    „Ihr Menschen braucht immer eine Bestätigung für alles. Habt ihr denn ganz und gar verlernt euren Instinkten zu vertrauen?“
    „Und Großmutter?“, hakte ich nach. „Hat sie dich auch gesehen?“
    „Ach, Rose.“ Sein Blick wurde weich und wendete sich nach innen. „Sie war die Beste! Ihre Fleischbällchen waren ein Geschenk der Götter … Aber ihr Erbseneintopf war die reinste Folter.“ Er schüttelte sich und ich lachte.
    „Ja, das Zeug schmeckte wie Mörtel.“ Ich lauschte dem Klopfen eines Spechts. In meinem Inneren hatte ich immer gewusst, dass die Geschichten Wirklichkeit gewesen waren, aber wer hätte mir das geglaubt? Und irgendwann habe ich alles meiner Fantasie zugeschrieben und es einfach vergessen. „Vielleicht verlieren wir die Fähigkeit zu sehen, wenn wir erwachsen werden“, sagte ich. „Aber wir können es wiederfinden, wenn wir es wirklich wollen.“ Ich sah in Voraks faltiges Gesicht. Seine Nase wirkte wie ein Baumknoten. „Du kannst in meine Welt gelangen. Kannst du auch zu anderen Orten wechseln? In andere Zeiten?“
    „Meine Vatereiche ist alt wie die Welt. Ich kann in jede Zeit gelangen, an den Ort, an dem sie existiert. Wir alle können das.“
    „Zeigst du sie mir?“
    Er schüttelte seinen Kopf, dass sein Zopf um sein Gesicht wehte. „Nein, Ungeduldigste, es ist zu früh dafür. Du hast noch eine Geschichte zu beenden.“
    „Hm“, machte ich. „Das Mädchen. Hat Rokan mit dir darüber geredet? Über sie und seinen Bruder?“
    „Jeder hier kennt die Geschichte der beiden. Natürlich! Was denkst du denn?“ Er blieb stehen und sah mich durchdringend an. „Ach, ich vergaß, denken ist ja nicht deine Passion.“
    „Rokan meint, man könnte ihr Schicksal ändern. Und das seines Volkes. Du könntest uns zu ihnen führen, nicht wahr?“
    „Rokan will es versuchen, ja, doch ihr könnt nicht auf meine Hilfe zählen. Leben und Sterben. Hell und Dunkel. Gut und Böse. Nichts existierte ohne das andere. Und jedes ist ein Teil der Natur. Wir sind nur Gäste unter Mutter Eiches Krone.“ 
    Wir hatten die Siedlung umrundet und näherten uns den ersten Behausungen. Vor einer der Hütten stand eine schwankende Gestalt. Ich schirmte meine Augen gegen die Sonne ab und atmete tief durch. Ihr Kupferhaar schimmerte matt, sie griff Halt suchend nach einem Baumstamm und ich lief mit klopfendem Herzen auf sie zu. Ihre Haut war noch blass, aber ihre Augen strahlten blauer als der Himmel. Ich nahm ihre Hand, küsste ihre Fingerspitzen. Sie sah mich fragend an, zögerte einen Augenblick und entzog mir ihre Hand.
    „Agnès“, flüsterte ich. „Ich bin es, Catrin.“
    Sie sah hilfesuchend über ihre Schulter und ich bemerkte erst jetzt die gebeugte Gestalt, die sich schwer auf einen knochigen Stock stützte. Maya.
    „Agnès“, versuchte ich es noch einmal. „Ich bin so froh, dass ich dich

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