Cosmic Trigger (Band 2)
natürliche Reaktion
auf die letzten 5.000 Jahre Geschichte, von den ersten Bronzezeit-Armeen, die
sich aufmachten, ihre Nachbarn zu versklaven, bis dahin, dass ein alter
CIA-Mann wie George Bush im Oval Office 36 sitzt, Kriege und Invasionen plant und
uns alle mit seiner “Pro-Leben“-Moral belehrt. Humor ist die einzige mental
gesunde Technik, die ich kenne, die es uns erlaubt, in solch einer verrückten,
verlogenen, geheimnistuerischen Welt weiterzuleben. Ich überlebe zum Beispiel
halbwegs normal, weil zu der Zeit, als ich in Brooklyn aufwuchs, bush Schamhaar bedeutete und quayle Vagina. In dem Irrsinn unserer Zeit kann
ich die Schlagzeilen lesen, ohne völlig auszuflippen, weil ich mich daran
erinnere, dass es nur Schamhaar und Vagina sind, die hochgestochene Reden
halten, und es scheint alles wie ein surrealistischer Roman. Wie etwas, das ich
selber hätte schreiben können.
ROC: Das erklärt den Horror und den
Humor. Was ist mit dem Sex und der Philosophie?
WILSON: Meine Romane handeln alle von
der Angst und wie die Menschen damit umgehen. Sex ist der versteckte Kern jeder
Angst, außer jener reinen Überlebensangst, die direkt aus schlechter Politik
und schlechter Wirtschaft entsteht. Was die Philosophie angeht, sind wir alle
bis zu einem gewissen Grad Philosophen. Wir versuchen alle herauszufinden, wie
wir mit diesem Dilemma, genannt Geschichte, umgehen sollen, oder wie wir da
rauskommen. Es ist Philosophie, wenn du es für dich selber tust. Wenn du Hilfe
brauchst, ist es Psychotherapie oder ein 12-Stufen-Programm.
ROC: Ihre nächsten drei Romane gehören
alle dem Fantasy-Genre an. Warum haben Sie das Science-Fiction-Genre verlassen?
WILSON: Ich habe es nicht verlassen.
“Science-Fiction“ und “Fantasy“ sind nur Werbebezeichnungen. Ich würde meine
Bücher “Ontologie der merkwürdigen Wesen“ oder vielleicht “Postmoderner
Slapstick“ nennen, aber dafür gibt es in den Buchläden keine Regale. In allen
meinen Romane schreibe ich über dasselbe Thema – “den Albtraum Geschichte“ –
und die Bücher sind alle Teil einer fortwährenden Saga, die das Auf und Ab von
fünf oder sechs Familien in dem Zeitraum von 1750 bis 2000 n. Chr. verfolgen.
Einige der späteren Teile der Geschichte wurden vor chronologisch früheren
Teilen veröffentlicht, aber es ist alles eine kontinuierliche Erzählung – die
Transformation der menschlichen Gesellschaft von der Landwirtschaftlichen-religiösen-Sonnenkönig-versklave-und-diene-Ära
zur Industriellen-säkularen-demokratischen-kapitalistisch-vs-sozialistischen
Stufe und weiter zum Grünen-Computer-psychedelischen-Weltraum-Zeitalter.
ROC: Wenn Sie das so sagen, klingt es,
als hätten sie eine Art Mainstream-realistische Saga unter all der Fantasy und
Groteske vergraben. Stimmen Sie dem zu?
WILSON: In gewisser Weise. Aber ich
mag das nicht, was im Allgemeinen als “realistische“ Fiktion betrachtet wird.
(Ich betrachte Joyce als frühreifen Postmodernen.) Ich denke, die Literatur an
der Grenze, so wie Sci-Fi und Fantasy, ist näher an der menschlichen Erfahrung
als der konventionelle “realistische“ Roman. Zum Beispiel waren die
viktorianischen “Realisten“ sehr ausweichend bis hin zu einfach unehrlich, was
den Sex betraf. Moderne Realisten haben eine ähnliche Angst vor dem Makabren –
dem Element des Unerklärbaren und Anormalen oder dem so genannten
“Paranormalen“, das irgendwann in jedem Leben auftaucht. Was “Realität“ genannt
wird, ist immer ein Set an Konventionen, das auf dem basiert, worauf sich die
Leute geeinigt haben, dass es nicht in der Öffentlichkeit erwähnt werden soll.
Diese Konventionen zu durchbrechen ruft Ängste hervor, und deshalb gibt es
immer Feindseligkeit gegenüber denjenigen, die die Grenze zu den Antipoden der
Psyche überqueren. Diejenigen von uns, die die Grenze überqueren, werden als
literarisches Äquivalent der Crack-Dealer betrachtet.
ROC: Wenn Ihre Romane von sozialer
Evolution handeln, wie Sie anzudeuten scheinen, warum stellen Sie dann in jedem
Teil der Geschichte den Konflikt zwischen Geheimgesellschaften oder
konkurrierenden Konspirationen dar?
WILSON: Aus mehreren Gründen. Ich
versuche, Grenzen zu überschreiten, wie ich schon sagte – all die Tabus zu
durchbrechen, die unser Denken beschränken. Als ich im College war, war eines
der Haupttabus “Du sollst nicht an Konspirationen denken“. Nur eine bestimmte
Sorte von Konspirationen konnte diskutiert werden und nur von den
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