Cottage mit Aussicht
dazwischen. Es war sehr nett von dir, dass du ihnen in der Badewanne vorgelesen hast. Das wäre mir nie eingefallen.« Ganz selbstverständlich waren Anna und sie zum Du übergegangen.
»Ich habe zwei Neffen, und als ich sie einmal übers Wochenende bei mir hatte, habe ich festgestellt, dass es eine ausgesprochen gute Idee war, ihnen etwas vorzulesen, während sie in der Badewanne saßen. Und dann haben wir Zahnarzt gespielt.«
»Was?« Chloe reichte Anna ein Glas Wein.
»Sie legen sich abwechselnd auf das Bett meiner Schwester, ich knipse die Leselampe an und fordere sie auf: ›Mund weit aufmachen und lange I sagen‹, während ich ihnen die Zähne putze.«
Chloe betrachtete ihre Söhne, von denen einer an einer Spaghetti lutschte, deren Ende ihm soeben um die Nase peitschte. »Das klingt nach einer großartigen Idee!«
Anna lachte. »Ich glaube nicht, dass meine Schwester allzu beeindruckt war, als sie Zahnpasta auf ihrer Bettdecke fand, aber sie war so glücklich, uns alle lebend anzutreffen, dass sie es übersehen hat.«
»Ich glaube, es wird uns wirklich Spaß machen, dich als Nachbarin zu haben, Anna.«
Während Chloe im oberen Stockwerk die neue Taktik im Zahnputzkrieg ausprobierte, räumte Anna die Spülmaschine ein, wischte alle Spuren von Spaghetti und Fleischbällchen vom Tisch und deckte ihn dann neu für ihr Abendessen mit Chloe. Nicht einmal unter dem Einfluss einer Wahrheitsdroge hätte sie das ihrer Schwester verraten, aber sie war begeistert davon, eine so fröhliche, freundliche Familie nebenan wohnen zu haben. Auf diese Weise würde es viel erträglicher sein, allein und auf einer Baustelle zu leben.
Chloe kam herunter und ließ sich auf das Sofa fallen. »Es ist so anstrengend, sie ins Bett zu bringen. Wenn Mike zu Hause ist, übernimmt er das. Mike ist mein Mann«, fügte sie hinzu.
»Und er ist im Moment nicht da?«, fragte Anna.
»Nein. Er ist Beratender Ingenieur und arbeitet recht oft im Ausland. Ich erwarte ihn ziemlich bald zurück, doch man kann nie sicher sein, wie lange ein Job dauern wird. Bevor die Jungen da waren, bin ich immer mitgefahren.«
»Vermisst du diese Reisen?«
Chloe überlegte kurz. »Nicht so sehr, wie ich all das hier vermissen würde. Mike fehlt mir natürlich, aber es war nicht nur die reine Wonne, immer irgendwo eine Fremde zu sein. Obwohl ich mein Leben lang als Aushilfe in Büros gearbeitet habe, war es meist nicht leicht, eine Stellung zu finden, wenn die Leute wussten, dass man schon bald wieder weiterziehen würde. Bei einer solchen Arbeit habe ich Mike übrigens kennengelernt«, fügte sie hinzu. Sie sah Anna an, und bei der Erinnerung an jene Zeit trat ein schelmischer Ausdruck in ihre Augen. »Ich habe in seinem Büro gearbeitet. Wir haben uns morgens kennengelernt, sind zum Mittagessen ausgegangen und nie mehr zurückgekommen! Ich hatte ein schrecklich schlechtes Gewissen, weil ich meine Arbeit normalerweise sehr ernst genommen habe.«
Anna lachte. Obwohl Chloe viel redete, machte es Spaß, mit ihr zusammen zu sein, und sie würde sich vielleicht als eine nützliche Informationsquelle erweisen. »Wie lange wohnt ihr schon hier?«
»Bruno - er ist der Älteste - war noch ein Baby, als wir hierher gezogen sind. Damals schien uns das Haus ideal zu sein. Jetzt, zwei Babys später, kommt es mir ein wenig eng vor.« Sie lächelte schläfrig. »Du könntest mir nicht vielleicht noch ein Schlückchen Wein nachgießen?«
Anna goss gehorsam nach.
»Ich bin keine Alkoholikerin oder so etwas - oder zumindest glaube ich das nicht -, aber es ist so schön, abends Gesellschaft zu haben, und ich trinke niemals, wenn ich allein bin.« Chloe nippte an ihrem Wein und sprach in vertraulichem Ton weiter: »Wir würden wahrscheinlich umziehen, wenn wir es uns leisten könnten, doch es hat schon unser ganzes Geld verschlungen, den Fuß auch nur auf die erste Sprosse der Hausbesitzerleiter zu setzen.«
»Ihr macht auf mich nicht gerade den Eindruck, als müsstet ihr euer Dasein in Armut fristen, wenn ich das sagen darf«, bemerkte Anna.
Chloe lachte. »Hm, nein! Pleite zu sein, kann sich zu einem faszinierenden Hobby entwickeln, und man wird schrecklich einfallsreich dabei.« Sie zog sich vom Sofa hoch und durchquerte den Raum. »Siehst du diesen Tisch?«
Anna nickte. Auf dem Tisch stand eine kleine Lampe.
»Das ist ein Windelkarton mit einer Decke darüber. Aber schau nicht so genau hin - der Stoff hat keinen Saum.«
»Wow! Was für eine großartige Idee«,
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