Cotton Reloaded - Folge 3 - Unsichtbare Schatten
schulterlangem die Tür öffnete, hielt Decker ihr ihren Dienstausweis vor die Nase.
»Wir müssen mit Ihrer Enkelin sprechen, Mrs Milton.«
Die Frau lächelte zurückhaltend. »Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen. Eileen ist nicht zu Hause.«
»Dürfen wir kurz reinkommen?«, fragte Cotton ungeduldig.
Die Frau zuckte unschlüssig mit den Schultern. »Aber bitte doch«, sagte sie nicht eben begeistert.
Sie drehte sich um und schlurfte ins Wohnzimmer. »Mike – wir haben Besuch vom FBI!«, rief sie einem alten Mann zu, der in einem Ledersessel hockte. Das lange schüttere Haar war im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er hatte in einem Buch gelesen und sah nun über den Rand seiner Brille hinweg zu den Eintretenden auf.
Cotton fiel sofort auf, dass es in dem gediegen eingerichteten Zimmer weder einen Fernseher noch ein Radio gab, dafür aber mehrere Regale voller Bücher. An den Wänden hingen alter Indianerschmuck und andere Kultgegenstände der Mohawks.
»Bitte entschuldigen Sie die Unordnung«, sagte Mrs Milton, als sie bemerkte, dass Decker sich zielstrebig den kleinen Kartons näherte, die vor einem Regal aufgestapelt waren. »Unser Enkel wollte die Kisten heute Morgen eigentlich abholen, aber ihm ist anscheinend etwas dazwischengekommen.«
Die beiden Agents tauschten einen beredeten Blick. Das Ehepaar wusste offenbar noch nichts von Dominicks Tod.
»Sie verrichten Heimarbeit für Dominick Tarbell?«, fragte Cotton konsterniert und deutete auf die Kartons.
Die Frau nickte. »Mein Mann erhält als ehemaliger Stahlarbeiter zwar eine ganz ordentliche Rente, aber wir können dieses kleine Zubrot trotzdem gut gebrauchen.«
Decker öffnete einen der Behälter, griff hinein und holte eine Handvoll Perlenketten hervor.
Abrupt wirbelte sie zu Cotton herum, der sie angespannt beobachtete. »Sämtliche Perlen sind innen weiß!«, stieß sie hervor.
Cotton schüttelte entgeistert den Kopf. Tarbell hatte seinen eigenen Großeltern die Crack-Perlen gegeben, damit sie diese zu Halsketten verarbeiteten! Die anderen Heimarbeiter hatten nur die gewöhnlichen Perlen aus Mortimers Spritzgießerei erhalten. Und aus Geheimhaltungsgründen hatte Tarbell die Namen seiner Großeltern nicht auf der Liste der Heimarbeiter vermerkt. Deshalb hatte sich unter dem nachgemachten Indianerschmuck, den die Gangster eingesammelt hatten, kein Gramm Crack befunden.
»So viel Unverfrorenheit muss man erst mal besitzen«, sagte Cotton fassungslos.
Decker legte die Ketten in die Schachtel zurück. »Sie müssen uns unbedingt sagen, wo wir Eileen finden, Mrs Milton.«
»Die ist zum Empire State Building aufgebrochen, um dort ihre Kunstaktion durchzuführen«, antwortete Mr Milton leicht verärgert und hob das Buch wieder auf, um mit dem Lesen fortzufahren.
»Was wollen Sie eigentlich von unserer Eileen?«, fragte seine Frau argwöhnisch.
»Es könnte sein, dass Ihre Enkelin mit ihrer geplanten Kunstaktion gegen geltendes Recht verstößt«, erwiderte Decker ausweichend.
»Führen Sie uns in Eileens Zimmer«, verlangte Cotton und fing sich von seiner Partnerin wegen seines schroffen Tonfalls einen strafenden Blick ein. »Wir wollen uns dort kurz umsehen.«
»Ich weiß nicht, ob Eileen das recht wäre«, erwiderte Mrs Milton verunsichert. »Sie anrufen und um Erlaubnis fragen kann ich nicht, weil sie kein Handy hat.«
»Wir finden das Zimmer auch allein«, sagte Cotton und eilte los.
Immer zwei Stufen auf einmal nehmend rannte er die Treppe zum ersten Stock hinauf. Nachdem er wahllos ein paar Türen aufgerissen hatte, stand er plötzlich in einem kleinen, nur mit einem Bett, einem Schrank und einem Sekretär möblierten Zimmer.
Die Schranktür stand offen. Die knapp geschnittenen Kleider, die darin hingen, ließen Cotton vermuten, dass er Eileens Zimmer gefunden hatte.
Zögernd trat er ein. Das Bett war mit Fotos und aufgeschlagenen Kunstbänden bedeckt. Sowohl die Fotos als auch die Ablichtungen in den Bildbänden zeigten alte nordamerikanische Holzhäuser, aus denen die Wände, der Fußboden oder Teile der Fassade herausgesägt worden waren, sodass das Dahinterliegende zu sehen war. Eines der Gebäude war sogar komplett in der Mitte durchgesägt; dann war eine Hälfte abgesenkt worden, sodass die beiden Haushälften auseinanderklafften.
Cotton trat näher. Auf einigen Fotos war ein junger, dunkelhaariger Mann zu sehen. Auf einer Aufnahme hing er an einem Bergsteigerseil vor der Fassade eines Holzhauses und
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