Cotton Reloaded - Folge 3 - Unsichtbare Schatten
hatte, hatte gemeint, der Bandenboss würde die Schussverletzung wohl überleben.
Suzys stockend hervorgebrachte Schilderung der Vorfälle, die sich nach ihrer Nachtschicht zugetragen hatten, hatten die Theorie von Cotton und Decker größtenteils bestätigt. Suzy war von den Männern entführt worden, um ein Druckmittel gegen Dominick Tarbell in der Hand zu haben. Als die Entführer durch die Medien erfuhren, dass Dominick tot war, hatten sie Suzy gefoltert. Doch sie hatte den Männern die gewünschten Informationen nicht liefern können. Alles, was sie ihnen schließlich mitteilte, war die Adresse des Hauses, von wo aus ihr Freund seinen Nebenverdienst koordinierte.
»Ich kann es immer noch nicht fassen, dass Dominick tatsächlich tot ist«, sagte Suzy und schluchzte trocken. »Als diese Männer mir sagten, er wäre ums Leben gekommen, glaubte ich, sie hätten sich die Geschichte nur ausgedacht, um mich zu quälen.«
»Haben Sie eine Ahnung, was Dominick auf der George Washington Bridge wollte?«, hakte Cotton nach.
Suzy zuckte kraftlos mit den Schultern. »Er hatte heute Morgen eine Verabredung mit seiner Halbschwester. Mehr weiß ich auch nicht. Sie plante irgendeine Kunstaktion, bei der Dominick ihr zur Hand gehen sollte.«
Cotton und Decker tauschten einen gehetzten Blick.
»Wie heißt denn die Halbschwester Ihres Freundes?«, fragte Decker.
»Eileen. Eileen Diabo«, antwortete Suzy abwesend. »Sie ist eine Tochter von Dominicks leiblichem Vater und wurde in Caughnawaga geboren. Sie ist eine Vollblut-Mohawk, soviel ich weiß.«
»Wo finden wir Miss Diabo?«, fragte Cotton, während Decker bereits ihr Smartphone hervorholte, um sich mit Zeerookah in Verbindung zu setzen.
»Während ihres New-York-Aufenthalts wohnt Eileen bei ihren Großeltern«, antwortete Suzy und nippte an dem Tee. »Denen gehört eine kleine Reihenhaushälfte in der 53. Avenue in Queens. Wenn Eileen nicht in der Trade Gallery ist, wo ihre seltsamen Skulpturen zurzeit ausgestellt werden, oder eine Besprechung mit ihrer Künstleragentur hat, hält sie sich bei ihren Großeltern auf. Eileen ist eine ziemlich verschlossene, ängstliche Person, die die Öffentlichkeit scheut. Eine echte Künstlerseele eben.« Suzy furchte die Stirn. »Glauben Sie, Eileen hat etwas mit Dominicks Tod zu tun?«
»Das werden wir bald wissen«, sagte Cotton, entschuldigte sich und ging zu Decker hinüber, die sich ein paar Schritte entfernt hatte, um ungestört telefonieren zu können. Soeben beendete sie das Gespräch. Eindringlich sah sie Cotton mit ihren grünen Augen an.
»Zeerookah hat über die Galeristin herausgefunden, dass Eileen in New York zwei Events geplant hat, die ihre Ausstellung begleiten sollen. Das erste Event sollte heute Morgen stattfinden, ist aber offenbar von Eileen abgebrochen worden. Was dieses Event im Einzelnen beinhaltete, konnte die Galeristin nicht sagen. Um Mitternacht ist die zweite Aktion geplant. Auch darüber weiß die Galeristin angeblich nichts.«
»Das geplatzte Event wird doch wohl nicht die Sprengung der Tragekabel der George Washington Bridge gewesen sein!«, entfuhr es Cotton.
Decker nickte düster. »Zeerookah hat noch etwas herausgefunden. Eileen hatte eine Ausstellung in Baltimore, als dort der Sprengstoff aus dem Abrissunternehmen gestohlen wurde.« Sie blickte auf die Uhr. »Es ist jetzt kurz nach zehn. In der Trade Gallery ist Eileen jedenfalls zurzeit nicht. Und in der Künstleragentur hält sich um diese Uhrzeit sicherlich auch niemand mehr auf.«
»Dann wird Eileen vielleicht bei ihren Großeltern sein«, sagte Cotton. »Wenn nicht, werden die uns hoffentlich sagen können, wo sie steckt.«
Decker ging zu Suzy und ließ sich die Adresse der Großeltern geben. Dann eilten die beiden Agents zu ihrem Dienstwagen. Als der Chevy wenig später hinter dem parkenden Lkw hervorschoss und davonraste, sah Suzy dem Fahrzeug verwundert hinterher.
*
Das Doppelhaus, dessen linke Hälfte vom alten Ehepaar Milton bewohnt wurde, war ein kleiner, holzverschalter Bau. Die Haushälften beherbergten im Erdgeschoss jeweils ein großes Wohnzimmer, eine Küche und ein Bad. Im ersten Stock gab es nur ein Schlafzimmer und zwei weitere kleine Räume.
Das Wohnzimmerfenster neben der Eingangstür nahm fast die gesamte Breite der weiß gestrichenen Fassadenfront ein. Hinter den Vorhängen brannte Licht, was die beiden Agents hoffen ließ, die Miltons zu Hause anzutreffen.
Decker klingelte. Als eine alte Dame mit aschgrauem,
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