Couchgeflüster
fahre ich sie ungewollt heftig an.
«Quatsch. Ich würde dir nie untreu werden. Vorletzte Woche wurde dort für eine Telenovela gedreht. Ich hab nur die Schauspieler abgeliefert und mich ein wenig umgesehen.Und, Nelly …» Britta beugt sich ganz dicht zu mir. «Sie bieten auch Yoga an.»
Mist!
Habe ich die Konkurrenz wirklich unterschätzt? Na, die werden sich noch wundern!
2
Die Woche vergeht ohne eine einzige Neuanmeldung. Und trotz intensiven Nachdenkens fällt mir auch keine Lösung für meine finanzielle Misere ein. Auf die Vorstellung, mein geliebtes Yogastudio zu verlieren, reagiert mein Gehirn nur mit krausen Gedanken wie: Lotto spielen oder Spielbankbesuch, was im Prinzip keine schlechte Idee wäre, weil ich da auf einen Schlag stinkreich werden könnte – wenn ich das nötige Startkapital hätte.
Eigentlich wollte ich an diesem Sonntag ja etwas länger schlafen, aber das Sorgenkarussell in meinem Kopf hindert mich daran. Vor allem die Frage: Sollte ich mir tatsächlich mal die Konkurrenz ansehen? Heißt es nicht, dass man seine Feinde kennen muss, um sie besiegen zu können? Ich könnte eine Yoga-Probestunde nehmen und dabei spionieren und …
Ach, so komme ich nicht weiter.
Ein klarer Fall für einen ausgiebigen Kopfstand. Das hilft, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Kopfüber starre ich an die Wand im Schlafzimmer. Dort lese ich:
Im Grunde ist alles ganz einfach!
Diese Worte habe ich an die Wand gemalt – natürlich verkehrt herum. Darüber balanciert ein rosa Elefant mit einem Bein auf einem türkisfarbenen Ball. Normalerweise helltdas Bild auch die mieseste Stimmung auf. Doch irgendwie sieht der Elefant heute seltsam grau aus. Frustriert breche ich meine Morgenmeditation nach wenigen Minuten ab und schlurfe ins Bad.
Beim flüchtigen Blick in den Spiegel schrecke ich zusammen. Die Ringe unter meinen blaugrünen Augen beweisen, dass Probleme einen Menschen nicht schöner machen. Meine Haare hängen mir wie verfilzte Wolle ins Gesicht und spiegeln eindeutig meine düstere Stimmung wider. Gegen mein rotblondes Lockengestrüpp hilft aber keine noch so teure Kurpackung. Das habe ich alles schon getestet. Nicht mal die Olivenöl-Eigelb-Paste, die ich in einem Anfall von Verzweiflung auf Anraten einer Frauenzeitschrift aufgetragen habe, konnte etwas bewirken. Ich habe sogar damit geschlafen. Das hätte ich aber besser lassen sollen. Denn die Pampe war über Nacht eingetrocknet und nur sehr schwer auszuwaschen. Seitdem binde ich meinen Haarwust lieber zusammen, Käppi drauf und fertig.
Mir ist jetzt nach starkem Kaffee und etwas Salzigem. So was wie ’ne scharfe Salami oder ein Rollmops.
Doch im Kühlschrank entdecke ich lediglich eine halbleere Flasche Wasser, eine halbe ausgequetschte Zitrone und zwei leere, sauber ausgewaschene Joghurtbecher. Keine Ahnung, was ich damit vorhabe. Und in meinem antiken Küchenbüfett langweilt sich ein einsamer Teebeutel.
Aber ich brauche dringend eine Stärkung. Schließlich findet heute unser monatliches Familienessen statt. Strenggenommen fehlt ja mein Vater zur vollständigen Familie, seit die Ehe meiner Eltern vor gut vier Jahren geschieden wurde. Hätten sie noch zehn Monate länger miteinander gestritten, hätten sie es bei der Silberhochzeit krachen lassen können.
Der Scheidungsgrund war aber nicht wie so oft eine andere Frau, sondern Mamas Beruf. Sie ist Psychologin und Therapeutin, und Paps degradierte ihre Tätigkeit gerne abfällig zu einem Freizeitjob. Außerdem warf er ihr stets vor, dass sie ihre Familie vernachlässigen würde. Er habe nicht geheiratet, um dann zwei Kinder allein zu erziehen. Als Deutsch- und Geschichtslehrer war er nämlich immer derjenige, der mittags nach Hause kam und uns versorgt hat. Mama entgegnete in diesen Diskussionen meist, dass sie nicht studiert habe, um nur am Herd zu stehen.
Geheiratet haben die beiden übrigens erst, als mein jüngerer Bruder Phillip unterwegs war. Ich bin quasi unehelich, und Paps musste mich nach der Hochzeit adoptieren. Nach der Scheidung hat Mama dann nicht wieder geheiratet. Manchmal habe ich den Eindruck, dass sie für alle Zeiten genug von der Ehe hat. Ihrer Überzeugung nach glauben alle Männer, Ehefrauen seien billige Haushälterinnen.
Manchmal ging es bei den Streitereien aber auch um mich. Um genau zu sein: um meine berufliche Zukunft. Meine Unentschlossenheit in dieser Frage sei ein Erbe meiner Großmutter väterlicherseits. Auch Paps hat mich
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