Couchgeflüster
entrüste ich mich und zeige mit ausgestreckten Armen in die Runde. «Alles, was ich hatte, steckt hier drin.»
«Du meinst, die gesamte Erbschaft deiner Großmutter?» Britta starrt mich mit weitaufgerissenen Augen an und scheint es nicht glauben zu können.
Seufzend bestätige ich ihre Vermutung. «Du hast doch gesehen, wie diese marode Hinterhofklitsche vorher aussah. Eine heruntergekommene Schusterwerkstatt, die einige Jahre leerstand und vor sich hin gammelte. Fünfzigtausend Euro reichten da gerade mal für die nötigsten Umbauten. Und ich habe weder geprotzt noch teure Materialien verwendet.» Mit einem gewissen Besitzerstolz blicke ich mich um. «Für weniger wäre mein Traum aber nicht zu verwirklichen gewesen. Die beiden Stützsäulen waren kostspielig, aber unbedingt notwendig, um aus zwei kleinen Räumen einen großen Trainingsraum zu machen. Parkett musste wegen der Hygiene sein. Umkleideraum und Duschen sowieso. Der einzige wirkliche Luxus ist die exotische Wandgestaltung. Aber du musst zugeben, dass sie dem Vorraum eine besondere Noteverleiht. Jedenfalls machst du dich ausgesprochen gut vor dem farbenfrohen Kunstwerk.»
Kaum habe ich meinen kleinen Vortrag beendet, atme ich tief durch und straffe meine Schultern. Mit neunundzwanzig Jahren seinen Traumjob gefunden zu haben und selbständig zu sein ist kein Grund, depressiv zu werden. Schon eher einer, sich zu freuen.
Aufmunternd lächle ich sie an. «Zerbrich dir nicht meinen Kopf. Eine Nacht drüber schlafen, und schon sieht die Welt wieder ganz anders aus.»
Britta schüttelt den Kopf und schweigt.
«Ich war übrigens nur deshalb etwas unkonzentriert», fahre ich in meiner Verteidigungsrede fort, «weil ich nachgerechnet habe, wie viele Neuanmeldungen nötig wären, um aus den roten Zahlen rauszukommen. Ich bin da sehr zuversichtlich. Yoga ist doch total angesagt. Und so ein Mahnbrief ist noch keine Kündigung. Vermutlich meint Jacobi es nicht so ernst. Vergiss den doofen Schrieb einfach! Ich denk schon gar nicht mehr daran.»
Seufzend gibt mir Britta den Brief zurück. «Wäre
Probleme verdrängen
eine Kunst, wärst du eine begnadete Künstlerin, Nelly. Entweder, du rechnest dir die Angelegenheit schön, oder du spielst Dornröschen: Legst dich schlafen und hoffst, dass sich alle Widrigkeiten über Nacht in Luft auflösen. Aber sag mir Bescheid, bevor dir das Wasser bis zum Hals steht. Ich bin zwar selber ziemlich knapp bei Kasse, seitdem ich meine Wohnung gekauft habe, doch du kannst immer auf mich zählen.»
Spontan umarme ich Britta. «Mir wird schon was einfallen.»
Gegen halb neun verlassen wir geduscht und umgezogen das Studio. Ich trage wie üblich eine bequeme Jeans, darüber ein hellblaues Schlabbershirt und ein Käppi auf dem Kopf, um meine nervigen Haare zu bändigen. Meine Füße stecken in schlichten, blauen Flipflops, und über den Schultern baumelt ein hellbrauner Rucksack, in dem ich meine Trainingsklamotten transportiere. Alles in allem ein vollkommen unspektakulärer Look. Als Yogalehrerin muss ich ja nicht jedem Modetrend hinterherlaufen. Auch deshalb ist es mein Traumjob: Ich mach mir nämlich nichts aus Trends, und Eitelkeit ist eine Eigenschaft, die mir gänzlich fehlt.
Im Unterschied zu meiner Nichtfrisur glänzt Brittas dunkles, halblanges Haar frisch gewaschen. Und ihr Outfit ist wie immer sehr modisch. Heute trägt sie eine helle Hose mit einer taillierten, dunkelgrünen Jacke im trendigen Knitterlook, dazu helle Leinenstiefel. Brittas Garderobe setzt sich zum großen Teil aus Berliner Mode-Labels zusammen, die für meinen Geldbeutel sowieso zu teuer wären. Ein flüchtiger Beobachter hält uns sicher nicht für enge Freundinnen. Aber uns ist das egal.
Gemeinsam schlendern wir Richtung Turmstraße, wo Britta ihren Wagen geparkt hat. Es ist einer dieser milden Juliabende, an denen die Luft nach Lindenblüten riecht und keiner nach Hause will.
«Sollen wir noch einen Stopp einlegen?», fragt Britta, als wir
Beim ollen Wilhelm
, einer Urberliner Kneipe, vorbeikommen.
«Gerne, nach drei Unterrichtsstunden habe ich immer einen Bärenhunger.»
«Zu Hause ist dein Kühlschrank aber sicher leer, weil du mal wieder vergessen hast, ihn aufzufüllen, richtig?» Brittasieht mich grinsend an. «Kein Wunder, dass du nicht dick wirst. Vermutlich wiegst du keine fünfzig Kilo.»
«Keine Ahnung, ich hab doch keine Waage. Aber ich bin ja auch viel kleiner als du und trainiere …» Ich beende den Satz nicht, sonst denkt
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