Cowboy Jim - Alle Geschichten in einem Band
grünes Tal. Es war schon ziemlich spät, als sie die Herde
erreichten. Jim zählte die Kühe. Er fing bei eins an und hörte bei neunhundertneunundneunzig auf. Die tausendste Kuh war gar keine Kuh. Es war der riesige schwarze Stier. »Gib gut Acht auf ihn!«, befahl Tom, noch bevor er wieder davonritt. »Er ist manchmal etwas widerspenstig.«
Damit sollte er leider Recht behalten. Ja, wenn Jim in den nächsten Tagen die Zeit gefunden hätte, darüber nachzudenken, dann wäre er sicher zu dem Schluss gekommen, dass Tom etwas untertrieben hatte. Der schwarze Stier war nämlich so wild, dass bisher kein einziger Cowboy länger als drei Tage bei Toms Herde geblieben war.
Wenn es Zeit war, die Kühe zur Tränke zu treiben, wollte der Bulle den Berg hinauf. Und wenn Jim es für gut fand, die Herde am Hang weiden zu lassen, dann hatte er Durst und lief zum Wasser.
Am schlimmsten aber trieb er es, als der Weideplatz gewechselt werden sollte. Anstatt sich an die Spitze der Herde zu setzen, wie es sich für einen ordentlichen Leitbullen gehört,
stampfte er den Boden mit seinen Füßen, wirbelte unnütz den Staub auf und rührte sich nicht von der Stelle.
Mit großer Geduld versuchte Jim, ihn zum Weitergehen zu bewegen. »Bitte, lieber Stier«, bat er höflich, »auf der Weide hinter dem roten Felsen gibt es eine Quelle und grünes, saftiges Gras.« Aber der Stier konnte Jim nicht verstehen. Er war zwar groß und kräftig, aber lange nicht so klug wie Mister Tramp.
»Du bist der schönste Stier im Wilden Westen«, schmeichelte der Cowboy, »und als solcher hast du die Pflicht, zusammen mit mir für das Wohl der Herde zu sorgen!«
Der Stier rollte böse mit den Augen. Er schnaubte und senkte drohend den Kopf. »Ach was«, beteuerte Jim weiter, »du bist nicht nur der schönste Stier im Wilden Westen - du bist der schönste von ganz Amerika, vielleicht sogar von der ganzen Welt.« Der Stier ging ein paar Schritte rückwärts. »Du bist der schönste, größte und schwärzeste Stier von der ganzen Welt, dem Mond und
allen Sternen!«, schrie Jim verzweifelt. Mehr fiel ihm einfach nicht ein.
Plötzlich sprang Mister Tramp zur Seite. Der Stier griff an. Weil er aber dort, wo Pferd und Reiter gestanden hatten, ins Leere stieß, verlor er das Gleichgewicht und schoss einen Purzelbaum.
Das war für Jim eine gute Gelegenheit. Blitzschnell warf er ihm das Lasso um die Beine, band sie zusammen und schlang das Ende über sein Sattelhorn.
»Vorwärts, Mister Tramp!«
Das kleine Pferd zog an und schleppte den hilflosen Bullen bis zu dem neuen Weideplatz. Das war eine beschämende Beförderung. Die Kühe schauten nämlich zu, und wenn Kühe lachen könnten, dann hätten sie es sicher getan.
Der Stier wurde noch wütender, als er schon war. Deshalb mussten Jim und Mister Tramp besonders gut aufpassen, wenn er wieder freigelassen wurde. Der Cowboy lockerte vorsichtig das Lasso, und Mister Tramp duckte sich, um im selben Augenblick, wenn der Stier seine Beine aus der Schlinge ziehen konnte, davonzurennen, haarscharf an den spitzen Hörnern vorbei. Dies wiederholte sich bei jedem Weidewechsel.
Und weil eine so große Herde ziemlich viel Futter brauchte, geschah das alle drei Tage.
Für einen Cowboy, auch wenn er gut war und sein Handwerk verstand, war das eine sehr gefährliche Sache.
Und für ein Pferd war es mühsam.
So ging das nicht weiter.
Jim überlegte. Er hatte keine Lust, sich sein ganzes Leben lang mit diesem dummen und widerborstigen Stier herumzuärgern.
Er wollte viel lieber in den Süden reiten, dorthin, wo die Leute Hüte trugen, die so groß wie ein Wagenrad waren. Wo mit süßer Milch gefüllte Kakteen in der Wüste wuchsen und wo ein fleißiger Cowboy für seine Arbeit auch bezahlt werden würde.
Wie aber konnte er Schiefnase dazu bringen, ihm sein Wort zurückzugeben?
An einem der nächsten Tage besichtigte Tom die Herde.
»He, Jim«, begrüßte er den Cowboy, »wie geht’s?«
»Na ja, so, so«, antwortete Jim.
Tom kramte aus seiner Satteltasche einen kleinen Beutel heraus.
»Hier, das ist für dich!«
In dem Beutel war Zucker, aber Jim hatte jetzt keine Lust, Zucker zu essen.
»Vielen Dank«, antwortete er etwas zerstreut und steckte den Beutel in seine Tasche.
»Wie geht es dem Stier«, fragte Tom weiter, »macht er dir Ärger?«
Jim zuckte mit den Achseln. »Wir werden ihn schon erziehen.«
»Wer ist wir?«, fragte Tom misstrauisch.
»Mister Tramp und ich«, erklärte ihm Jim.
»Das werdet
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