CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)
heute Morgen im Körper eines fremden Jungen aufgewacht und …
Schließlich kam Miss Sprake zu dem Schluss, dass er, warum auch immer, während der Unterrichtszeit unentschuldigt außerhalb des Schulgeländes angetroffen worden war. Strafe: ein Eintrag im Schulplaner. Außerdem sollte er sich nach der letzten Stunde bei ihr melden, um die Angelegenheit noch einmal ausführlich zu besprechen.
»Sei froh, dass Mr Johannsen zufällig am Bahnhof vorbeigekommen ist«, sagte sie. »Wenn du den ganzen Tag blaugemacht hättest, hätte ich deinen Eltern einen Brief geschrieben und du hättest Rot gekriegt.«
Rot. Aha. Das sollte wahrscheinlich Nachsitzen bedeuten. In Crokeham Hill nannte sich das »Bunkern«. Alex hatte noch nie in den Bunker gemusst und er hatte auch noch nie einen Eintrag erhalten. Jetzt bekam er einen. Beziehungsweise Philip bekam einen.
»Was hast du in der ersten Stunde?«, wollte Miss Sprake wissen.
Alex erwiderte auf gut Glück: »Geschichte.«
»Wohl kaum«, mischte sich Mr Johannsen ein, »schließlich bin ich dein Geschichtslehrer.«
Mist. Ausgerechnet! »Äh, ich meine natürlich … welche Woche haben wir denn?«
»Herrje, Philip, dein Stundenplan gilt doch jetzt schon ein Dreivierteljahr!«, kam es wieder von Miss Sprake. Wenn sie die Brauen noch mehr zusammenzog, klemmten sie die Nase ab. Sie blätterte in seinem Planer. »Blaue Woche, Montag, erste Stunde: Deutsch.«
Deutsch.
Alex hatte gar kein Deutsch in der Schule. »Ach, stimmt ja – Deutsch.«
»Dann lauf! Und halte dich nicht mit deinem Spind auf, du hast schon zwanzig Minuten Unterricht verpasst.«
Als sie ihm den Planer zurückgab, klingelte Philips Handy.
Mum!
Alex holte das Telefon aus der Jacke. Der Klingelton (irgendein Rap) war peinlich laut. Ehe er rangehen konnte, riss ihm Mr Johannsen das Ding aus der Hand.
»Das lassen wir mal lieber«, sagte der Dicke, drückte auf den Tasten herum und fand die richtige zum Ausschalten. Das Klingeln hörte auf.
»Das war ein wichtiger Anruf!«, rief Alex so laut, dass es durch den ganzen Flur hallte.
Schwer zu sagen, wer von den dreien am meisten erschrak. Miss Sprake fasste sich als Erste: »Du hast dir heute schon genug geleistet, Philip.«
»Entschuldigen Sie, aber ich muss den Anruf unbedingt entgegennehmen! Es ist dringend!«
»Du musst dich dringend in den Deutschunterricht begeben. Auf der Stelle!«
»Aber …«
»Sofort, Philip!«
Sie nahm Mr Johannsen das Handy ab. »Du bekommst es zurück, wenn wir uns heute Nachmittag sehen.«
Er hatte schon den halben Flur durchquert, als ihm auffiel, dass er keinen Schimmer hatte, wo der Deutschunterricht stattfand. Anscheinend war er aber in die richtige Richtung gegangen, sonst hätten ihm Sprake oder Johannsen bestimmt etwas nachgerufen. Offen gestanden war es Alex ziemlich egal, wo er hinging. Er konnte nur noch an den verpassten Anruf denken. Ein paar Sekunden später und er hätte ungehindert mit seiner Mutter sprechen können. Nur ein paar Sekunden! VerdammterMist! Er hatte keine Ahnung, wann und ob die nächste Gelegenheit zum Telefonieren kommen würde. Wenn in der Litchbury High die gleichen Vorschriften galten wie in seiner eigenen Schule, dann durften die Schüler das Schulgelände in der Mittagspause erst ab der Elften verlassen, und am Ausgang standen immer Lehrer und passten auf. Also konnte sich Alex nicht heimlich in die Stadt verdrücken und ein öffentliches Telefon benutzen. Er musste warten, bis er das Handy zurückbekam. Das hieß, er musste einen ganzen Tag an dieser fremden Schule überstehen und sich als Philip Garamond ausgeben. Er musste an einem Unterricht teilnehmen, von dem er keinen Schimmer hatte, zusammen mit Lehrern und Mitschülern, die er noch nie gesehen hatte, und das Ganze in einem Gebäude, das für ihn das reinste Labyrinth war.
Am liebsten hätte er Philips Schultasche an die Wand geklatscht.
Wenigstens war der Geruch vertraut. Nach Schulflur. Schulflure rochen anscheinend überall gleich. Dieser hier führte zu einer Treppe, an deren Fuß zwei weitere Flure abzweigten. Dort gab es zum Glück bunte Wegweiser. Sprachen: nach links. ›SP5‹ stand in Philips Planer. Alex fand den Raum und wurde mit Beifall und ironischen Kommentaren begrüßt.
»Na, Flip –
hat dir jemand die Uhr gestohlen?
«, sagte der Lehrer auf Deutsch.
»Was war denn mit dir los?«
Alex musterte den Typ, der die Frage gestellt hatte, aus dem Augenwinkel. Der Junge hatte kurze blonde
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