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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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muss beiden Versuchungen widerstehen, und wenngleich man alle Frauen mit größter Höflichkeit behandeln sollte, ist doch jede Form von Vertraulichkeit zu meiden.
     
    Horatio Herbert Earl Kitchener of Khartoum and Broome

Kapitel eins
    »Und?«
    Der Verteidiger beugte sich vor, die Nase ebenso spitz wie sein Tonfall, die Perücke in der Hitze seiner Attacke verrutscht. Nightingale bemühte sich um eine vernünftige Antwort, aber ihre Gedanken waren erstarrt. Das Einzige, woran sie sich erinnern konnte, war eine Bemerkung ihrer Mutter, als sie mal mit einer schlechten Note aus der Schule gekommen war: »Den Text vergessen, nicht zu fassen. Dein Bruder hätte uns nicht so blamiert.«
    Die Erinnerung raubte ihr jedes Selbstvertrauen, und sie spürte, wie ihre Bluse unter dem Kostüm schweißnass wurde. Sie holte tief Luft und presste die Finger fest gegen das Holz des Zeugenstandes. Seit vierzig langen Minuten wurde sie ins Verhör genommen. Ihre Aussage war entscheidend, da die Staatsanwaltschaft ansonsten nur Indizienbeweise hatte. Sie sagte sich, dass sie sich einfach nur an die Wahrheit zu halten brauchte, ohne sich von dem rüden Ton des Mannes einschüchtern zu lassen.
    »Wir warten, Sergeant.«
    »Ja.« Sie hustete, als würde sie sich räuspern, und fixierte einen Punkt direkt über seiner rechten Schulter.
    »Ja. Was?«
    Nightingale straffte die Schultern, hoffte, dass es nicht aggressiv wirkte, sondern höflich, wie aus Respekt vor seiner Rolle. Sie wusste, wie sich erfolgreiche Zeugen verhielten: entschlossen, selbstsicher, aber nicht anmaßend. Sie war Polizeibeamtin, und die Geschworenen würden zuerst ihren Beruf und dann den Menschen sehen. Sämtliche Vorurteile, die sie mit in den Gerichtssaal gebracht hatten, würden sich auf die Interpretation von allem, was sie sagte, auswirken. Wenn sie als Kinder dazu erzogen worden waren, Vertrauen zur Polizei zu haben, dann würden sie ihr glauben wollen. Wenn sie Polizisten für korrupt und voreingenommen hielten, würde alles, was sie sagte, auf Skepsis stoßen. Für sie alle musste sie Louise Nightingale sein, die Opfer eines Vergewaltigungsversuchs geworden war.
    »Könnten Sie Ihre Frage bitte wiederholen?« Ihre Stimme war wieder ruhig.
    »Meine Frage lautete, wie Sie mit dem Angeklagten in Kontakt gekommen sind, und bisher haben Sie trotz der wiederholten Bitte um Präzisierung lediglich gesagt, Sie hätten auf eine E-Mail geantwortet, die dazu geführt habe, dass Sie Nachrichten in einem Chat-Room austauschten.«
    »Das ist richtig. Wir haben uns im Internet über das Computerspiel THE GAME ausgetauscht.«
    »Und wie ist es zu dem Kontakt gekommen?«
    »Das habe ich schon mehrmals beantwortet, Sir.«
    »Dann erzählen Sie es uns noch einmal.« Die Strategie des Verteidigers war es, der Polizei Anstiftung zu einer Straftat nachzuweisen, und wenn es ihm gelang, Nightingale bei ihrer Aussage aus dem Konzept zu bringen, könnte sie aufgehen.
    Über THE GAME und dessen Spielregeln hatten bereits Experten von der Firma ausgesagt, die es erfunden hatte. Sie hatten es als harmlosen Spaß dargestellt, eine Herausforderung für Geschicklichkeit und schnelles Denken. Aber jedes der Vergewaltigungsopfer hatte es gespielt. Als andere Spuren kein Ergebnis gebracht hatten, hatte die Polizei schließlich THE GAME als mögliche Verbindung zu dem Täter genauer unter die Lupe genommen.
    »Der Leiter der Ermittlungen hatte Grund zu der Annahme, dass alle Opfer einer Vergewaltigungsserie an einem Online-Spiel namens THE GAME teilgenommen hatten. Es gibt etliche Websites und Chat-Rooms, die sich mit dem Spiel befassen.«
    »Und Sie haben einen dieser Chat-Rooms in der erklärten Absicht betreten, den Angeklagten zu einem Nachrichtenaustausch zu ködern, den Sie, Sergeant, zunehmend belastender und zügelloser gestalteten!« Spucketröpfchen flogen von seiner Zunge, und er betupfte sich den Mund.
    »Einspruch!« Der Staatsanwalt war aufgesprungen. Reginald Stringer war ein unnachgiebiger Verteidiger, dem eine ausgeprägte Abneigung gegen Polizeizeugen nachgesagt wurde. Der Richter gab dem Einspruch statt, und Nightingale beantwortete eine neu formulierte Frage.
    »Um in gewisse Chat-Rooms zu gelangen, benötigt man die vollständige Webadresse und ein Passwort. Ich wurde von dem Angeklagten in diesen speziellen Chat-Room eingeladen.«
    Nightingale fühlte sich jetzt sicherer. Die Polizei hatte drei Computerexperten, die alle die E-Mail-Korrespondenz zwischen ihr, dem

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