Crescendo
Angeklagten und dem Chat-Room bestätigt hatten.
»Erzählen Sie uns von den Figuren, die in THE GAME vorkommen.«
Nightingale zeigte auf die Brettversion des Spiels auf dem Tisch mit den Beweismitteln. Es war eins von etlichen Nebenprodukten des Originalcomputerspiels, das die noch jugendlichen Erfinder zu Multimillionären gemacht hatte. Der Film dazu sollte in einem Jahr herauskommen.
»Es gibt sechs Hauptfiguren und zahllose Nebenfiguren. Einige Kombattanten …«
»Kombattanten?«
»Spieler – sie nennen sich Kombattanten.«
»Und welche ›Kombattantin‹ waren Sie, Sergeant?«
»Artemesia 30055.«
»Artemesia geht auf die griechische Göttin Artemis zurück – die Jägerin – nicht wahr? Sehr passend, wenn man bedenkt, was Sie vorhatten.«
»Einspruch.«
»Stattgegeben.«
»Und die Zahl, was hat es damit auf sich?«
»Ich war die dreißigtausendfünfundfünfzigste Person, die bei THE GAME mitmachte, als Artemesia. Das wurde mein Codename. Sie gehört zu den weniger beliebten Figuren, da sie nicht so viel offensichtliche Kraft hat.«
»Also, Artemesia 30055, wie haben Sie den Angeklagten kennen gelernt?« Stringer lächelte über seinen Scherzversuch, aber Nightingale ließ sich nicht täuschen.
Es wäre ihr lieber gewesen, mit Sergeant angesprochen zu werden. Wenn er sich auf die Spielfigur konzentrierte, würde er unweigerlich die dunkle Seite der Jägerin hervorheben. Sie war eine Spielerin, die Stärke und neue Kräfte erlangte, wenn sie Dämonen und Trolle aufspürte und tötete. Die beiden anderen weiblichen Figuren – eine Heilerin und eine Hexe – hatten mit weniger aggressiven Taktiken Erfolg. Nightingale war eine außergewöhnliche Artemesia gewesen, die rasch durch die Ranglisten aufstieg. Genau deshalb war der Angeklagte auf sie aufmerksam geworden. Er hatte den Dämonenkönig gespielt, die schwierigste und gefährlichste Rolle, aber die mit den besten Möglichkeiten, Punkte zu sammeln. Sie blickte jetzt zu ihm hinüber, ein straßenköterblonder Mann in den Zwanzigern. Kaum jemand, der einem in einer Menschenmenge auffallen würde.
»Sergeant, wir warten.«
»Ich lernte den Angeklagten in dem Chat-Room kennen. Er nannte sich Dämonenkönig 666. Er hatte es irgendwie geschafft, die automatische Nummerierung zu umgehen, und sich eine Wunschnummer gegeben – die Zahl des Teufels. Er galt als Experte für THE GAME. Nicht nur für seine eigene Rolle, sondern auch für andere. Der Dämonenkönig ist das Ziel für alle anderen. Wer ihn fängt oder tötet, ist automatisch Sieger mit der höchsten Punktzahl. Dämonenkönig 666 hatte noch nie verloren. Er galt als unbesiegbar.«
Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie der Angeklagte sich bewegte. Er starrte sie an und lächelte. Nightingale fröstelte. Trotz seiner Lage genoss er den Dialog über THE GAME und seine Überlegenheit darin. Das war einer der Gründe, warum sie im Chat-Room so leicht mit ihm ins Plaudern gekommen war. Je erfolgreicher sie in dem Spiel wurde, desto mehr Aufmerksamkeit schenkte er ihr.
»Dämonenkönig 666 war sehr clever. Die meiste Zeit gab er irreführende Informationen heraus. Schließlich hatten viele von den Leuten, die Tipps von ihm erhielten, den Wunsch, ihn in einer zukünftigen Partie zu töten. Aber er wollte auch, dass andere Dämonenkönige getötet wurden, um seine Führungsposition zu sichern, deshalb lieferte er auch echte Hinweise, damit die Leute ihn um weitere baten.«
»Sie eingeschlossen?«
»Nein, ich habe ihn nie direkt um Rat gebeten. Dadurch hätte ich zu viel über meine eigene Taktik verraten können. Ich habe die öffentlichen Dialoge verfolgt, hier und da einen Kommentar beigesteuert. Er hat zuerst eine persönliche Nachricht an mich geschickt, nicht umgekehrt.«
»Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie sich darauf verlassen haben, dass er den Anfang macht.«
»Aber so war es. Das beweisen sämtliche Aufzeichnungen.« Sie unterdrückte ein abschätziges Lächeln. Natürlich war er auf sie zugekommen, sie hatte sich unwiderstehlich gemacht, indem sie gewann und sich still und leise verhielt. Reine Geduldssache.
Nightingale warf einen Blick zur Uhr auf der gegenüberliegenden Wand. Sie war jetzt seit fast einer Stunde im Zeugenstand und bereute es, dass sie die ganze Nacht kein Auge zugetan und auch nicht gefrühstückt hatte. Die Verteidigung hätte keinen besseren Zeitpunkt finden können. Draußen war ein für die Jahreszeit ungewöhnlich sonniger Tag. Die Fenster gingen
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