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Cristóbal

Cristóbal

Titel: Cristóbal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Orsenna
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Jungen geboren. Die enge Verbindung von Ausschweifung und Religion scheint die Spezialität der Perestrellos zu sein. Denn die beiden Schwestern Richartes, Isabel und Branca, erliegen zur selben Zeit dem Charme des Erzbischofs von Lissabon, Dom Pedro de Noronha. Drei Kinder entspringen dieser doppelten Lasterhaftigkeit, die der heilige Mann, ein ebenso guter Vater wie feuriger Liebhaber, alle anerkennt…
    So weit der erste Teil seines Berichts. Meister Andrea meinte, er könne Atem holen: Die Schilderung dieser Sittenlosigkeit hatte ihn erschöpft. Doch Cristóbal ließ nicht locker.
    «Es waren vier Kinder. Fehlt noch eines, wenn ich richtig gerechnet habe.»
    «Euer künftiger Schwiegervater, ein Namensvetter Eures Bruders Bartolomeo. Bevor ich Euch sein wenig glanzvolles Porträt zeichne, möchte ich Euch darauf aufmerksam machen, dass Ihr, wenn Ihr in diese Familie einheiratet, eine Art Schwager des Erzbischofs werdet…»
    «Fahrt fort.»
    Armseliger Bartolomeo, mein Namensvetter! Er hat nichts anderes in seinem Leben zustande gebracht, als sich am Hafen herumzutreiben. Cristóbal sprang auf:
    «Und was machte er da?»
    «Was weiß ich? Was man eben auf den Kais macht: liederlichen Frauenzimmern hinterherlaufen und Geschichten liefern. Und das hat man mir noch über ihn gesagt: Er interessierte sich für die Geheimnisse der Seefahrt.
    Eines Tages erfuhr er von zwei Seemännern, sie hätten im Norden von Madeira eine Insel mit dem mildesten Klima und einer ebenso vielfältigen wie üppigen Pflanzenwelt entdeckt. Bartolomeoging unverzüglich zum König, und dieser verlieh ihm den Erbtitel eines Kapitäns der neuen Insel, die sogleich Porto Santo getauft wurde.
    Geleitet von den beiden Seemännern, denen er die Nachricht von der Entdeckung entlockt hatte, stach er eine Woche später bedenkenlos in See, um sein Königreich in Besitz zu nehmen. Doch aus Angst, sich nur von pflanzlicher Kost ernähren zu müssen, was für ihn soviel hieß wie hungers zu sterben, bestand Bartolomeo Perestrello leider darauf, Fleisch in Gestalt eines Kaninchens mitzunehmen, genauer gesagt, eines trächtigen Kaninchens. Ein verhängnisvoller Fehler. Kaum hatte es seine Pfoten an Land gesetzt, warf es Junge. Der Wurf wuchs rasch heran. Zu Ostern rammelten Brüder und Schwestern. Zu Pfingsten gab es neuen Nachwuchs… Und so fort.
    Im September zählte die Nachkommenschaft der ersten Kaninchendame mehrere Dutzend und hatte alles gefressen, was zu den Pflanzen zählte. Wütend befahl Bartolomeo, einen Brand zu entfachen, der alle Nager dahinraffte, der aber auch das Barackenlager zerstörte, das man so mühevoll errichtet hatte. Dem Kapitän mit Erbtitel blieb nichts anderes übrig, als samt seinem Erbe, das nur noch aus Asche bestand, kleinlaut nach Lissabon zurückzukehren, wo man ihn mit einem Gelächter empfing, das noch durchdringender war als das ständige Keckern von Möwen. Nie zuvor hatte Portugal, eine ernste Nation, so gelacht… Über so viel Spott sei der arme Mann gestorben, heißt es, was jetzt rund zwanzig Jahre her ist.»
    Dieser Bericht und die Spötteleien interessierten meinen Bruder nicht mehr. Bestimmt war er schon seit einer Weile an Bord seines liebsten Schiffes gegangen, des Traumes. Und langsam, wie Leute, die ein Haus das letzte Mal besichtigen, bevor sie es kaufen, nickte er – er war mit dieser Familie Perestrello einverstanden. Sie passte zu seinen Plänen.
    Als Andrea ihm anbot, seine Erkundigungen fortzusetzen (bei diesen verrückten Perestrellos lägen noch viele Seiten im Schatten), wäre Cristóbal beinahe wütend geworden; er fühlte sich mitden Leuten schon verbunden. «Das genügt», sagte er. Und tätschelte die Schulter des Kartographen. Einmal mehr bestürzte mich diese dreiste brüderliche Geste, denn auf diese Weise danken sich Oberhäupter. Er aber war erst fünfundzwanzig, und die Untersuchung lag in den Händen unseres Meisters. Noch am selben Abend hielt Cristóbal um die Hand jenes Fräuleins Filipa an. Und am nächsten Tag begannen die Hochzeitsvorbereitungen.
    So wirkte der Wille meines Bruders auf quasi himmlische Weise. Er entschied. Und was er entschied, ob über Ereignisse oder Personen, wurde Wirklichkeit. Er hatte entschieden, dass der Zeitpunkt gekommen war, eine Frau zu nehmen. Und fügsam hatte sich eine Frau eingestellt. Eine Frau, die ihn wie durch ein Wunder bereits liebte und die er durch ein nicht weniger großes Wunder lieben würde. Sein Wille war auch stark genug, Gefühle

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