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Crossfire 1: Kontakt

Crossfire 1: Kontakt

Titel: Crossfire 1: Kontakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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nur mit einem schlichten grauen Overall bekleidet. Er
trug weder Schmuck noch Implantate. Man erkannte auf den ersten
Blick, dass er ebenso auf jegliche genetische Aufwertung verzichtet
hatte: Wo er nicht kahl war, war sein Haar ergraut, seine
siebzigjährige Haut war faltig, und er hatte mindestens
fünfundzwanzig Kilo Übergewicht. Er aß gern –
wie ließ sich das mit irgendwelchen strengen
religiösen Grundsätzen vereinbaren? Und wie vertrug sich
die schlichte Lebenseinstellung seiner Glaubensgemeinde mit seinem
außerordentlichen Interesse an den Geschehnissen auf der Erde,
an klassischer Musik, Gentechnik und dem Schiffsantrieb – an
einfach allem? Außerdem konzentrierte er sich als Arzt doch
wohl eher auf das Körperliche als das Spirituelle.
    Auf der anderen Seite fluchte Shipley niemals, und er schaute sich
weder Filme an noch nutzte er die Unterhaltungsangebote virtueller
Realitäten. Er nahm keine stimulierenden Mittel und trank auch
nichts von dem Zeug, das an Bord des Schiffes als Wein bezeichnet
wurde. Jeden Sonntag lud er seine nicht im Kälteschlaf liegenden
Mitreisenden zu einer »Andacht« ein. Gail wusste nicht, ob
irgendwer jemals diese Andachten besucht hatte; sie jedenfalls
nicht.
    Hauptmann Scherer betrat die Messe und ließ sich auf seinem
Platz nieder, gefolgt von Leutnant Gretchen Wortz.
    »Ich grüße Sie, Hauptmann«, hieß ihn
Faisal willkommen.
    »Hallo zusammen. Ah, Fisch. Gut.« Scherer bediente sich
großzügig.
    Die Soldaten kehrten wie alle anderen nicht zur Erde zurück.
Scherers Leute hatten alle in der kleinen Schweizer Raumflotte
gedient und sich gemeinsam bei der Mira Corporation beworben. Sie
waren gründlich, charakterfest und sehr fasziniert von diesem
größten Schiff und der größten Reise ihres
Lebens. Und dennoch blieben sie Gail und Jake ein Rätsel.
    Soldaten dienten in militärischen Organisationen. Auf
Greentrees wären diese sieben Leute das einzige Militär
überhaupt. Zumindest für eine Weile. Jake hatte mit ihnen
einen Vertrag geschlossen, der sie als Ordnungshüter von Mira
City verpflichtete – Mira City war der Name des zentralen
Stadtstaates, der die unterschiedlichen Siedlungsgebiete und
Gemeinschaften zusammenhielt, in die Greentrees aufgeteilt werden
sollte.
    Rudolf Scherer hatte bereitwillig zugestimmt. Er und seine
Mannschaft, so hatte er Jake mit ruhiger Selbstverständlichkeit
versichert, gäben eine ganz hervorragende Polizeitruppe ab.
    Und das entsprach vermutlich den Tatsachen. Jake hatte die
Vergangenheit dieser Leute dermaßen gründlich
durchleuchten lassen, dass nicht einmal eine schlechte Grundschulnote
in Rechtschreibung verborgen geblieben wäre. Die
Lebensläufe aller sieben Schweizer waren so makellos weiß,
wie es frisch gefallener Schnee in der Vergangenheit mal gewesen war.
Dazu waren sie, einer wie der andere, höflich, tüchtig und
so gut aussehend, wie es nur durch genetische Aufwertung möglich
war.
    Warum also fühlte sich Gail in ihrer Gegenwart stets ein
wenig unbehaglich?
    »Wo ist Leutnant Halberg?«, fragte Gail den Hauptmann.
Drei der Soldaten waren für diese Gruppe zu den Mahlzeiten
eingeteilt, vier auf die andere Schicht.
    »Kümmert sich um eine Fehlfunktion. Routinesache.«
Scherer beherrschte die englische Sprache perfekt.
    »Strahlen?«, fragte Todd. Die kosmische Strahlung sorgte
immer wieder für Ausfälle bei den Schiffscomputern.
    »Davon gehe ich aus.« Scherer aß mit gesundem
Appetit. Seine Soldaten hielten strikte Dienstpläne ein, mit
geregelten Zeiten für Arbeit, Freizeit, Schlaf und Essen.
Vielleicht sorgte gerade dieser geregelte Tagesablauf dafür,
dass sie deutlich ausgeglichener wirkten als die übrigen
Menschen an Bord.
    Langes Zusammenleben auf engem Raum kann zu Depressionen,
Anspannung, Unruhe und Feindseligkeit führen, hatte Jake
geschrieben. Alle Siedler, die während der Reise wach bleiben
wollen, sollten sich stets bewusst sein, dass schon geringfügige
Schwierigkeiten übermäßig bedeutsam erscheinen
können.
    »Wäre die Technik besser abgeschirmt«, warf Ingrid
bissig ein, »hätten wir nicht so viele
Computerfehlfunktionen.«
    Zwischen zwei Bissen erwiderte Scherer: »Die Abschirmungen
entsprechen der Norm.«
    Ingrid lief rot an. »Was meinen Sie mit ›Norm‹,
Hauptmann? Wie kann es feste und gesicherte Normen geben, wenn wir
gerade mal das fünfte interstellare Siedlerschiff sind? Und die
ersten vier Unternehmungen waren allesamt vom Militär
organisiert und dauerten sehr viel

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