Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)
ihr zum Bach. Das Mädchen ahnte etwas und wollte weglaufen, doch Amma jagte hinterher und griff sie an. Schlug sie mit einem Stein. Wurde gebissen. Ich hatte die Wunde an der Hüfte gesehen, aber nicht begriffen, was der gezackte Halbmond bedeutete.
Die drei Blondinen hielten Ann fest, während Amma sie mit einer Wäscheleine erdrosselte, die sie aus einem Werkzeugschuppen in der Nachbarschaft gestohlen hatte. Sie brauchte über eine Stunde, um die Zähne zu ziehen. Jodes weinte die ganze Zeit. Dann trugen die vier Mädchen die Leiche zum Ufer und warfen sie ins Wasser, sausten zu Kelsey nach Hause, machten sich im Kutscherhaus sauber und schauten sich einen Film an. Welchen, wussten sie nicht mehr. Alle erinnerten sich jedoch, dass sie Melone gegessen und für den Fall, dass Kelseys Mutter hereinschauen sollte, Weißwein aus Limoflaschen getrunken hatten.
James Capisi hatte übrigens nicht gelogen. Amma hatte nämlich ein blütenweißes Laken von zu Hause mitgenommen und zu einem griechischen Gewand drapiert, das hellblonde Haar aufgesteckt und sich gepudert, bis sie kalkweiß aussah. Sie stellte Artemis dar, die blutige Jägerin. Zuerst war Natalie verwundert, als Amma ihr ins Ohr flüsterte:
Komm mit, wir machen ein Spiel.
Sie brachte Natalie durch den Wald zu Kelseys Kutscherhaus, wo die Mädchen sie geschlagene achtundvierzig Stunden gefangen hielten, umsorgten, verkleideten, abwechselnd fütterten und ihr die Beine rasierten. Sie genossen die wachsende Sorge in der Bevölkerung. Am 14 . Mai kurz nach Mitternacht hielten die Freundinnen Natalie fest, während Amma sie erdrosselte. Wieder zog sie ihr selbst die Zähne. Wie sich herausstellte, waren Milchzähne gar nicht so schwer zu entfernen, wenn man genügend Druck auf die Zange ausübte. Und wenn es einem egal war, ob sie zerbrachen. (Flüchtige Bilder von Ammas Puppenhausboden mit dem Mosaik aus gezackten, abgebrochenen Zähnen, manche kaum mehr als Splitter.)
Um vier Uhr morgens tuckerten die Mädchen im Golfcaddy zur Rückseite der Häuser an der Main Street. Der Spalt zwischen Eisenwarenladen und Schönheitssalon war gerade breit genug, dass Amma und Kelsey Natalies Leiche an Händen und Füßen hindurchtragen konnten. Sie setzten sie ab und warteten, bis sie entdeckt wurde. Jodes weinte wieder. Später erwogen die Mädchen, sie ebenfalls zu töten, aus Angst, sie könne die Nerven verlieren. Als meine Mutter verhaftet wurde, waren sie kurz davor, die Idee in die Tat umzusetzen.
Lily hingegen wurde von Amma ganz allein getötet, sie schlug ihr einen Stein auf den Hinterkopf und erwürgte sie mit bloßen Händen. Zog ihr sechs Zähne und schnitt ihr die Haare ab.
In der Gasse hinter dem Müllcontainer, neben dem sie die Leiche zurückließ. Stein, Zange und Schere hatte Amma in dem knallrosa Rucksack, den ich ihr geschenkt hatte, mit zur Schule genommen.
Aus Lily Burkes schokoladenbraunem Haar flocht Amma einen Teppich, mit dem sie mein Zimmer in ihrem Puppenhaus schmückte.
Epilog
Für das, was sie Marian angetan hatte, wurde Adora des Mordes für schuldig befunden. Ihr Anwalt bereitet schon die Berufung vor, begeistert unterstützt von der Gruppe, die unter freeadora.org eine Website für meine Mutter betreibt. Alan verließ das Haus in Wind Gap und bezog eine Wohnung in der Nähe des Gefängnisses in Vandelia, Missouri. Er schreibt ihr, wann immer er sie nicht besuchen kann.
Rasch wurden zusammengestoppelte Bücher über unsere mörderische Familie auf den Markt geworfen; man überschüttete mich förmlich mit Angeboten. Curry drängte mich, eins anzunehmen, machte aber schnell einen Rückzieher. Sein Glück. John schrieb mir einen freundlichen, verzweifelten Brief. Er hatte Amma schon immer im Verdacht gehabt und war nur zu Meredith gezogen, um »Wache zu halten«. Was auch das Gespräch zwischen ihm und Amma erklärte, das ich mitgehört hatte und in dem sie über seine Trauer spottete. Flirten und verletzen. Schmerz als eine Form der Intimität, genau wie bei meiner Mutter, die ihre Pinzette in meine Wunde stieß. Von Richard, meiner anderen Romanze aus Wind Gap, hörte ich nie wieder. Kein Wunder – so wie er meinen gezeichneten Körper betrachtet hatte.
Amma wird bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag hinter Gittern bleiben, vermutlich auch länger. Zwei Besuche pro Monat sind erlaubt. Ich ging einmal hin, saß mit ihr auf einem fröhlich bunten Spielplatz, der mit Stacheldraht eingezäunt war. Mädchen in Gefängnishosen und T-Shirts
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