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Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Titel: Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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mir.
    Rasch kramte ich die Fakten zusammen. »Es liegt im äußersten Südosten von Missouri, dem so genannten ›Stiefelabsatz‹. Man kann praktisch nach Tennessee und Arkansas spucken.« Curry genoss es, Reporter zu allen möglichen Themen in die Mangel zu nehmen, wenn es ihm zweckdienlich erschien – die jährliche Mordrate von Chicago, die demographische Entwicklung von Cook County oder, wie jetzt, die Geschichte meiner Heimatstadt, über die ich gar nicht gerne spreche. »Den Ort gibt es etwa seit dem Bürgerkrieg«, fuhr ich fort. »Er liegt am Mississippi und hatte früher einen ziemlich bedeutenden Hafen. Heute leben die meisten Leute von der Schweinezucht. Um die 2000 Einwohner. Alter Geldadel und Abschaum.«
    »Und was bist du?«
    »Ich bin Abschaum. Von altem Geldadel.« Ich lächelte. Er runzelte die Stirn.
    »Und was zum Teufel ist da so los?«
    Ich ging im Geiste die verschiedenen Katastrophen durch, die über Wind Gap hereingebrochen sein könnten. Es ist eins dieser lausigen Kaffs, die das Unglück förmlich anziehen: Busunfall oder Wirbelsturm, Explosion im Silo oder Kleinkind im Brunnen. Eigentlich war ich ein bisschen beleidigt. Denn ich hatte wie immer, wenn Curry mich in sein Büro rief, gehofft, er werde mir zu einem Artikel gratulieren, mir ein interessanteres Ressort geben oder eine Gehaltserhöhung anbieten. Auf eine Plauderei über die jüngsten Vorfälle in Wind Gap war ich nun gar nicht vorbereitet.
    »Preaker, deine Mutter wohnt noch da, oder?«
    »Mutter und Stiefvater.« Dazu eine Halbschwester, die geboren wurde, als ich schon studierte, und deren Existenz mir so unwirklich erscheint, dass ich meistens ihren Namen vergesse. Amma. Und dann natürlich Marian, die längst von uns gegangene Marian.
    »Na schön, wann hast du zuletzt mit ihnen gesprochen?« An Weihnachten: ein eisiger Höflichkeitsanruf, nachdem ich mir drei Gläser Bourbon genehmigt hatte. Ich fürchtete, meine Mutter könnte es durch die Telefonleitung riechen.
    »Schon länger nicht mehr.«
    »Herrgott nochmal, Preaker, lies doch endlich mal, was von den Agenturen kommt. Ein kleines Mädchen wurde dort erdrosselt, letzten August, glaube ich.«
    Ich nickte, als wüsste ich Bescheid. Aber es war gelogen. Meine Mutter war der einzige Mensch in Wind Gap, mit dem ich so etwas wie Kontakt pflegte, und sie hatte mir nichts davon gesagt. Eigenartig.
    »Jetzt wird wieder eins vermisst. Klingt nach einem Serientäter. Fahr runter und schreib die Story. Aber schnell. Morgen früh bist du da.«
    Nur über meine Leiche. »Curry, wir haben hier oben genügend Horrorgeschichten.«
    »Klar, und drei Konkurrenzblätter mit doppelt so viel Geld und Personal. Ich hab’s satt, immer bei den heißen Themen leer auszugehen. Das ist unsere ganz große Chance.«
    Curry glaubt, er müsse nur die richtige Story bringen, um Marktführer in Chicago zu werden und landesweiten Einfluss zu gewinnen. Letztes Jahr schickte eine Zeitung einen Reporter in dessen texanische Heimatstadt, wo einige Teenager beim Frühjahrshochwasser ertrunken waren. Er schrieb einen elegischen, aber gut recherchierten Artikel über das Wesen von Wasser und Trauer, über das Basketballteam, das seine drei besten Spieler verloren hatte, und den örtlichen Bestatter, der wegen seiner mangelnden Erfahrung im Herrichten von Ertrunkenen verzweifelt war. Die Story gewann den Pulitzer-Preis.
    Ich wollte nicht hinfahren. Wehrte mich so sehr dagegen, dass ich mich an die Sessellehnen klammerte, als müsste Curry mich notfalls mit Gewalt losreißen. Er betrachtete mich aus wässrigen haselnussbraunen Augen. Räusperte sich, warf einen Blick auf das Foto seiner Frau und lächelte wie ein Arzt, der einem etwas Schlimmes mitteilen muss. Curry tobt gerne, weil es zu seinem Bild vom Chefredakteur alter Schule passt, ist aber einer der anständigsten Menschen, die ich kenne.
    »Hör mal, Kleines, wenn’s nicht geht, geht’s nicht. Aber es könnte dir gut tun. Eine Art Reinigung. Damit du wieder auf die Beine kommst. Ist eine verdammt gute Story – und die brauchen wir. Du brauchst sie.«
    Curry hat mich immer unterstützt. Er sagt, ich sei seine beste Reporterin und hätte einen erstaunlichen Verstand. Seit nunmehr zwei Jahren enttäusche ich seine Erwartungen. War manchmal ein richtiger Reinfall.
    Ich konnte förmlich spüren, wie er mich innerlich drängte, ihm zu vertrauen. Ich nickte, zuversichtlich, wie ich hoffte.
    »Ich gehe packen.« Meine Hände hinterließen verschwitzte

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