Cryptonomicon
komisch, Amerika hat ihn nicht verstanden.«
The NewYork Times , Montag, 4. März 1996
Prolog
Reifen fliegen, schrei’n.
Ein Bambushain, flach gemäht
Von dort Kriegsgesang.
… mehr bringt Corporal Bobby Shaftoe auf die Schnelle nicht zustande – er steht auf dem Trittbrett und umklammert mit einer Hand seine Springfield und mit der anderen den Rückspiegel, sodass es ihm unmöglich ist, die Silben an den Fingern abzuzählen. Hat »schrei’n« eine Silbe oder zwei? Der Lkw entschließt sich endlich, nicht umzukippen, und landet mit dumpfem Laut wieder auf allen vier Rädern. Der Schrei – und der Moment – sind verloren. Die Kulis allerdings kann Bobby weiter singen hören, und nun kommt auch noch das an ein Gewehr erinnernde Ratschen der Kupplung hinzu, als Private Wiley herunterschaltet. Kann es sein, dass Wiley die Nerven verliert? Und hinten, unter den Planen, anderthalb Tonnen scheppernde Aktenschränke, hin und her schlackernde Codebücher, der in den Tanks des Generators von Station Alpha schwappende Treibstoff. Für den Haiku-Dichter ist die moderne Welt die reinste Hölle: »WechselstromGenerator« hat wie viel, sieben Silben? Das passte gerade mal in die zweite Zeile!
»Dürfen wir Leute überfahren?«, will Private Wiley wissen und malträtiert dann, noch ehe Bobby Shaftoe antworten kann, den Knopf der Hupe. Ein Sikh-Polizist überspringt einen Fäkalien-Karren. Spontan denkt Shaftoe: Na sicher, was wollen sie machen, uns den Krieg erklären?, aber von ihm als dem ranghöchsten Mann auf dem Lkw wird vermutlich erwartet, dass er seinen Kopf benutzt, also platzt er nicht gleich damit heraus. Er macht sich die Situation klar:
Schanghai, 16:45 Uhr, Freitag, 28. November 1941. Bobby Shaftoe und das halbe Dutzend anderer Marines auf seinem Lkw starren die Kiukiang Road entlang, in die sie gerade mit Vollgas auf zwei Rädern eingebogen sind. Rechts zieht soeben die Kathedrale vorbei, das heißt also, sie sind noch wie viel?, zwei Häuserblocks vom Bund entfernt. Dort hat ein Kanonenboot derYangtze River Patrol festgemacht und wartet auf das Zeug, das sie hinten auf dem Lkw haben. Das einzige wirkliche Problem besteht darin, dass diese beiden Häuserblocks von zirka fünf Millionen Chinesen bewohnt werden.
Nun handelt es sich bei diesen Chinesen um gewiefte Städter, nicht um sonnengebräunte Bauerntrampel, die noch nie ein Auto gesehen haben – normalerweise gehen sie einem aus dem Weg, wenn man schnell fährt und hupt. So flüchten denn auch viele auf die eine oder andere Straßenseite, wodurch die Illusion erzeugt wird, dass der Lkw schneller als die dreiundvierzig Meilen fährt, die der Tachometer anzeigt.
Aber der Bambushain in Bobby Shaftoes Haiku ist nicht bloß eine Beigabe, die dem Gedicht ein bisschen asiatisches Flair verleihen und die Leute zu Hause in Oconomowoc beeindrucken soll. Vor dem Lkw erstreckt sich ein Gewirr von dickem Bambus, Dutzende improvisierter Schranken, die ihnen den Weg zum Fluss versperren, denn die Offiziere der Asiatic Fleet und der Fourth Marines, die sich dieses kleine Unternehmen ausgedacht haben, haben vergessen, den Freitagnachmittag-Faktor zu berücksichtigen. Wie Bobby Shaftoe ihnen hätte erklären können – wenn sie sich nur die Mühe gemacht hätten, einen armen dummen Stiftkopf zu fragen -, führt ihre Route sie durch das Herz des Bankenviertels. Hier gibt es natürlich die Hongkong and Shanghai Bank, City Bank, Chase Manhattan, die Bank of Amerika, dazu BBME und die Chinesische Landwirtschaftsbank sowie jede Menge popeliger kleiner Provinzbanken, und mehrere dieser Banken haben mit dem, was vom chinesischen Staat noch übrig ist, Verträge geschlossen, die ihnen erlauben, Geld zu drucken. Es muss ein mörderisches Geschäft sein, denn sie sparen Kosten, indem sie es auf altes Zeitungspapier drucken, und wenn man Chinesisch lesen kann, sieht man die Artikel und Poloergebnisse des vergangenen Jahrs unter den bunten Zahlen und Bildern hervorlugen, die diese Papierstücke in ein gesetzliches Zahlungsmittel verwandeln.
Wie jeder Geflügelhändler und Rikschafahrer in Schanghai weiß, sehen die Gelddruckkonzessionen vor, dass sämtliche Noten, die diese Banken ausgeben, durch eine so und so hohe Silbermenge gedeckt sein müssen; d.h. jeder, der in eine dieser Banken am Ende der Kiukiang Road geht und ein Bündel Banknoten auf den Schalter klatscht, sollte (vorausgesetzt, die betreffenden Noten sind von ebendieser Bank gedruckt worden) richtiges
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