Cugel der Schlaue
an! Hier ist ein besonders wundersames Stück aus hundert Träumen schöner Mädchen, in Blumenlauben am frühen Morgen eingefangen und komprimiert!«
»Na gut. Ich werde mit der Vergabe des Großen Preises warten, bis ich die Qualität Eurer Visionen begutachtet habe. Wie soll es vor sich gehen? Muß ich mich zum Schlummer ausstrecken?«
»Durchaus nicht! Die Einnahme der Träume im wachen Zustand ruft keine Halluzinationen hervor, sondern eine wundervolle Stimmung: eine verstärkte Aufnahmefähigkeit für alles Schöne und Wundervolle; eine Verzauberung Eurer Sinne, ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Doch weshalb solltet Ihr es Euch nicht bequem machen, während Ihr meine Träume erprobt? Ihr dort! Holt einen Diwan! Und Ihr, ein Kissen für das edle Haupt Seiner Gnaden. Ihr, habt die Güte, den Hut Seiner Gnaden zu halten.«
Cugel sah keine Veranlassung zu bleiben. Er schritt unauffällig zum Rand der Menge. Iolo holte einen Traum aus dem Beutel und schien sich einen Moment über seine Klebrigkeit von dem noch an ihm haftenden Saft zu wundern, entschloß sich jedoch, es zu ignorieren. Er wischte sich lediglich die Finger an einem Schnupftuch ab.
Mit einer Reihe von pompösen Gesten näherte sich Iolo dem Diwan, auf dem Herzog Orbal sich erwartungsvoll zurücklehnte. »Ich werde den Traum für eine bestmögliche Aufnahme zerpflücken«, erklärte er. »Ein Stäubchen gebe ich in jedes Ohr, einen Hauch in die Nase, und den Rest unter die erlauchte Zunge Euer Gnaden. Habt nun die Güte, Euer Gnaden, Euch völlig zu entspannen. In einer halben Minute werdet Ihr die Quintessenz Hunderter exquisiter Träume erleben.«
Herzog Orbal erstarrte. Seine Finger krallten sich in die Diwanpolster; sein Rücken krümmte sich; seine Augen quollen aus den Höhlen. Er drehte sich um, dann rollte und zuckte und zappelte er und hüpfte und hopste schließlich vor den Augen seiner verwirrten Untertanen über den Platz.
Mit schriller Stimme brüllte Iolo: »Wo ist Cugel? Schafft diesen Halunken Cugel herbei!«
Aber Cugel hatte Cuirnif bereits verlassen und ward nicht mehr gesehen.
6.
Von Cuirnif nach Pergolo
Die vier Zauberer
Cugels Aufenthalt in Cuirnif schmälerten mehrere unangenehme Zwischenfälle, und er verließ die Stadt mit mehr Hast denn Würde. Schließlich bahnte er sich einen Weg durch ein Erlendickicht, sprang über einen Graben und kletterte zur alten Ferghaz-Straße hoch. Angespannt schaute er sich um und lauschte, doch offenbar verfolgte man ihn nicht mehr, so machte er sich, so schnell seine Beine ihn trugen, auf den Weg westwärts.
Die Straße führte quer durch ein ausgedehntes blaues Moor mit vereinzelten kleineren Wäldern – eine schier gespenstisch stille Gegend! Wohin Cugel auch spähte, er sah nichts als Weite, Himmel und Einsamkeit, und keinerlei Zeichen von Behausungen.
Aus der Richtung von Cuirnif kam ein Wagen, von einem einhörnigen Wheriot gezogen. Der Kutscher war Bazaard, der genau wie Cugel am Wettbewerb der Wunder teilgenommen hatte. Bazaards Ausstellungsstück war wie Cugels »Nirgendwo« aus bestimmten Gründen nicht anerkannt worden. Bazaard hielt seinen Wagen an. »Ah, Cugel! Ich sehe, Ihr habt beschlossen, Euer Ausstellungsstück in Cuirnif zurückzulassen.«
»Ich hatte keine Wahl«, erklärte Cugel. »Mit dem Verschwinden des Loches war ›Nirgendwo‹ zu nichts weiter als einem Erdhaufen geworden, den ich nur zu gern in Herzog Orbals Obhut zurückließ.«
»Ich tat dasselbe mit meinen toten Fischen«, sagte Bazaard. Er schaute sich im Moor um. »Welch eine unheimliche Gegend – und Räuberasmen lauern in all diesen Wäldchen. Wo wollt Ihr hin?«
»Nach Azenomei in Almery, doch im Augenblick wäre ich schon glücklich, eine Unterkunft für die Nacht zu finden.«
»Nun, so fahrt mit mir. Ich wäre dankbar für Eure Begleitung. Heute abend steigen wir im Gasthof zum Eisernen Mann ab, und morgen müßten wir Llaio erreichen, wo ich bei meinen vier Vätern wohne.«
»Ich nehme Euer Angebot gern an«, versicherte ihm Cugel. Er kletterte auf den Kutschbock zu Bazaard, der das Wheriot zu größerer Geschwindigkeit antrieb.
Nach einer Weile sagte Bazaard: »Wenn ich mich nicht irre, macht Iucounu, der Lachende Magier, wie man ihn nennt, Sommerfrische in Pergolo, das in der Nähe von Azenomei liegt. Kennt Ihr ihn?«
»Allerdings«, antwortete Cugel finster. »Er hat mir einige arge Streiche gespielt!«
»Aha! Dann darf ich wohl annehmen, daß er nicht gerade zu Euren
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