Cugel der Schlaue
beschlossen: Furcht soll Euch Beine machen! Kurz gesagt, wenn Ihr nicht umgehend meinen Antrag ausführt, werde ich mit meinen Schwestern zurückkommen – und dann könnt Ihr etwas sehr Unerfreuliches erleben!«
Nisbet bediente sich der sanften Stimme der Vernunft: »Gäbe ich Eurer Bitte ...«
»Keine Bitte, sondern eine Drohung!«
»... nach, dann würden auch andere Frauen mich einzuschüchtern versuchen, und das wäre dem geordneten Verlauf der Geschäfte abträglich.«
»Was interessiert das mich? Ich verlange, daß Ihr meine Säulenstücke sofort fertigstellt!«
Cugel stand auf. »Dame Sequorce, Euer Benehmen ist ausgesprochen unfein! Ein für allemal, Nisbet läßt sich nicht zwingen! Ihr werdet Eure Säulenstücke bekommen, sowie es seine Arbeitseinteilung erlaubt. Und nun verlangt er, daß Ihr sein Haus verlaßt, aber ruhig!«
»Ah, Nisbet ›verlangt‹ nun, eh?« Sie kam näher und faßte den Steinhauer am Bart. »Ich bin nicht hierhergekommen, um mir Euer Gerede anzuhören.« Heftig zupfte sie am Bart, dann ließ sie Nisbet in Ruhe. »Ich gehe jetzt, doch nur, weil ich meine Botschaft übermittelt habe – und ich warne euch beide: Sie ist ernstzunehmen!«
Dame Sequorces Abgang ließ bedrücktes Schweigen zurück. Schließlich sagte Nisbet vorgetäuscht munter: »Was manche Frauen sich erlauben! Ich muß Dame Wyxso ersuchen, die Schlösser nachzusehen. Kommt, Cugel, laßt Euch den Appetit nicht verderben!«
Die beiden speisten weiter, doch die beschwingte Stimmung war unwiderruflich dahin. Cugel meinte: »Wir brauchen ein Lager, einen Vorrat an Säulenstücken, die nur noch aufgefügt werden müßten, damit wir diese stolzen Frauen nach Bedarf beliefern können.«
»Gewiß«, pflichtete Nisbet ihm bei. »Doch wie ließe sich das bewerkstelligen?«
Cugel legte den Kopf leicht schräg. »Wärt Ihr zu unüblichen Maßnahmen bereit?«
Mit einem Wagemut, der teils vom Wein, teils von Dame Sequorces grober Behandlung seines Bartes herrührte, versicherte ihm Nisbet: »Ich schrecke vor nichts zurück, wenn die Umstände nach Taten schreien!«
»Nun, dann laßt uns an die Arbeit gehen«, forderte Cugel ihn auf. »Wir haben die ganze Nacht vor uns. Wir werden unsere Probleme ein für allemal beheben! Bringt Lampen!«
Trotz seiner kühnen Worte folgte Nisbet Cugel zögernden Schrittes. »Wollt Ihr mir nicht verraten, was Ihr vorhabt?«
Cugel weigerte sich, über seinen Plan zu sprechen, ehe sie die Säulen erreichten. Hier forderte er den Zaudernden zu größerer Flinkheit auf. »Die Zeit ist kostbar! Bringt die Lampe zu dieser ersten Säule.«
»Das ist die von Fidix.«
»Egal wessen. Stellt die Lampe ab, dann berührt die Säule mit Eurem Amulett und tretet sie ganz leicht – nicht mehr als ein Streicheln. Wartet, laßt mich zuerst dieses Seil um die Säule legen ... Gut. Jetzt das Amulett und der Tritt!«
Nisbet gehorchte. Die Säule wurde kurz schwerelos und in diesem Zustand entfernte Cugel das Einserteilstück. Nach ein paar Sekunden endete die Magie und die Säule kehrte an ihren früheren Platz zurück.
»Seht!« rief Cugel. »Ein Stück, dem wir eine neue Nummer geben und es dann an Dame Sequorce verkaufen, nicht ohne uns für ihre Unverschämtheit zu rächen!«
Erschrocken rief Nisbet: »Fidix wird diese Höhenminderung bemerken!«
Cugel schüttelte lächelnd den Kopf. »Unwahrscheinlich. Ich habe die Männer beobachtet. Blinzelnd und kaum halb wach kommen sie an. Sie haben kein Auge für etwas anderes als das Wetter und die Sprossen ihrer Leiter.«
Zweifelnd zupfte Nisbet an seinem Bart. »Wenn Fidix morgen kommt und seine Säule erklommen hat, wird er feststellen, daß sie ein Stück niedriger ist.«
»Deshalb müssen wir das Einserstück von allen Säulen entfernen. Also weiter! Es gibt noch eine Menge zu tun!«
Als der Morgen graute, zogen Cugel und Nisbet das letzte Einserstück zu einem Versteck hinter einem Steinhaufen. Nisbet zitterte vor Erleichterung. »Zum erstenmal sind genügend Stücke vorrätig. Unser Leben wird glatter verlaufen. Cugel, Ihr seid wahrhaftig klug und einfallsreich!«
»Heute müssen wir wie üblich arbeiten. Falls – was sehr unwahrscheinlich ist – auffällt, daß die Säulen niedriger sind, behaupten wir, nichts davon zu wissen, oder wir schieben die Schuld auf die Maoten.«
»Wir könnten auch sagen, das Gewicht der Säulen hätte die Einser in den Boden gedrückt.«
»Gar nicht dumm! Nisbet, wir haben gute Arbeit geleistet!«
Die Sonne
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