Curia
wenn ich Sie recht verstanden habe, oder?«
»Mir sind die Hände gebunden, Ihnen nicht.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Bei der Unterredung mit dem Präfekten des Archivs, dem wichtigsten Mitarbeiter Ihres Bruders, habe ich versucht herauszubekommen, womit der Kardinal sich in seinen letzten Lebensmonaten beschäftigt hat. Was man mir geantwortet hat? Der Präfekt ist Jesuit, außerdem hat er seinen Doktor der Theologie an der Päpstlichen Universität gemacht.«
Es habe keinen Zweck weiterzumachen, denn die italienischen Behörden hätten nicht die geringste Machtbefugnis innerhalb des Vatikans, so der Kommissar. Er könne Vankos Mitarbeiter zwar aufs Polizeipräsidium vorladen, doch damit drohe er einen diplomatischen Zwischenfall mit dem Heiligen Stuhl zu provozieren, und es hätte ohnehin zu nichts geführt.
Mühsam unterdrückte Théo seinen Zorn. In Italien war der Vatikan unantastbar.
»Wenn der Präfekt Ihnen nichts gesagt hat, verstehe ich nicht, warum er das bei mir tun sollte.«
»Ich denke nicht an den Präfekten.«
»Nein? An wen denn?«
Dominici beugte sich zu Théo vor und vertraute ihm an, was er vorhatte. »Was sagen Sie dazu?« Die Lippen des Kommissars verzogen sich zu einem durchtriebenen Lächeln.
»Wenn Sie kein Polizist wären, hätten Sie General der Jesuiten oder ein perfekter Verbrecher werden können.«
Der Kommissar zog an seiner Gitane, legte den Kopf in den Nacken und blies einen Rauchring aus. Die bläulichen Kringel schwebten in die Höhe und verloren sich in den violetten Blüten der Bougainvillea.
2 Am Empfang des Vatikanischen Geheimarchivs fragte Théo nach dem Präfekten. Er gab seine Tasche an der Garderobe ab und ging durch einen Metalldetektor.
Ein hagerer, kahl geschorener Mönch forderte ihn auf, ihm zu folgen. Sie betraten einen Fahrstuhl, der Ordensbruder steckte einen Schlüssel in ein Schloss, und sie fuhren in die Kellergeschosse hinunter.
Dort schritten sie durch einen langen Gang, vorbei an einer endlosen Folge von Regalreihen, in denen, dicht aneinandergedrängt, Sammelordner mit dem Vatikanwappen standen. Der Mönch erklärte, sie befänden sich hier zwei Kellergeschosse tief unter dem Cortile della Pigna in einem Bunker aus Stahlbeton, wo dreiundvierzig Kilometer Regale Millionen jahrhundertealter Texte enthielten. Er klopfte an eine Tür, nannte Théos Namen und forderte ihn auf einzutreten.
Ein hölzernes Kruzifix und ein Porträt des polnischen Papstes beherrschten den Raum. Auf dem Schreibtisch waren alle Gegenstände streng geometrisch angeordnet. Der Präfekt ergriff Théos Hände und blickte ihn an. Seine Augen waren so blau wie ein Gebirgssee. Mit leiser Stimme beteuerte er, wie bestürzt er über den Tod »Seiner Eminenz, des Kardinals St. Pierre« sei.
Théo versuchte, die Rede auf Vankos Forschungsarbeit zu bringen, doch der Präfekt wich seinen Fragen mit dem dialektischen Geschick eines Sophisten aus. Auch seine Bitte um Vankos Ledertasche prallte an einer Mauer aus passivem Widerstand ab. Die Tasche, erklärte der Präfekt, sei Eigentum des Archivs, einschließlich ihres Inhalts – alles Akten, die mit der Arbeit des Kardinals zusammenhingen.
»Apropos, ich hätte da noch eine Bitte an Sie«, sagte der Präfekt vorsichtig.
»Ja, bitte, Monsignore.«
»Sie haben unter den Sachen Ihres Bruders nicht zufällig etwas gefunden, was dem Archiv gehört?«
»Ich bin noch nicht in der Wohnung meines Bruders gewesen. Woran denken Sie?«
»Ach, an nichts Bestimmtes. Alte Papiere, wer weiß, vielleicht das eine oder andere Pergament …« Die Blicke des Präfekten forschten in Théos Gesicht. »Sie müssen wissen, dass Ihr Bruder Zugang zu äußerst wichtigen Dokumenten hatte. Er hätte welche mitnehmen können, um sie abends bei sich zu Hause in aller Ruhe zu studieren.«
»Seien Sie unbesorgt«, sagte Théo mit einem unschuldigen Lächeln. »Wenn ich etwas finden sollte, werde ich Sie benachrichtigen.«
»Sehr gut.« Der Präfekt warf einen Blick auf die Uhr. »Und versäumen Sie nicht, uns zu besuchen, wenn Sie wieder nach Rom kommen.«
Kaum hatte Théo das Büro verlassen, hob der Präfekt den Hörer und wählte eine Nummer.
»Er ist soeben gegangen«, sagte er auf Französisch.
»Und?«, erwiderte die Stimme am anderen Ende.
»Meiner Meinung nach weiß er nichts.«
» Mon cher ami , ist es nicht ein wenig zu früh, um die Absolution zu erteilen?«
Als ihm der Priester auf der anderen Seite des Garderobentisches
Weitere Kostenlose Bücher