Curia
Orten, wo Geist und Natur eins waren und jeder seinen individuellen Archetyp wiederfinden konnte. In der Folklore der Aborigines drückte sich die fortwährende Suche nach dem djang aus, der Urkraft, die die Urwesen auf ihren Traumpfaden zurückgelassen hatten.
»Der Trieb, im Outback zu vagabundieren, ist der Lockruf der Traumpfade«, sagte Zac. »Es ist die Suche nach der Magie der Urwesen, dem djang . Diese Magie spürt man, wenn man an einem Ort wie Ayers Rock steht.«
Théos Blick verlor sich in den Dünen. Ich gelangte zum Hundestern und sah mich selbst. Ich gelangte zum Ochsen des Himmels und sah mich selbst. Ich gelangte zu Horus dem Roten und sah abermals mich selbst . War dies also der Zauber von Orten wie Sais oder Achet-Aton oder dem Mont-Saint-Michel oder Asfendiou? Das djang der Urwesen? Bohms Quantenpotenzial?
Stille hatte sich über das Lager gesenkt, die glühenden Scheite des Feuers glommen in der Dunkelheit.
Die Tüte mit der Perücke in der Hand, schlüpfte Théo aus seinem Zelt und kletterte eine Düne hinauf. Seine Beine versanken im Sand. Auf dem Kamm angekommen, sah er zum Himmel auf. Die Milchstraße schien so nah, dass er meinte, sie mit der Hand berühren zu können. Er holte die Perücke aus der Tüte und drehte sie in seinen Händen hin und her. Einen Augenblick lang schaukelte eine bunte Lichterkette über die Dünen und warf Lichtreflexe auf einen Schopf kupferroter Haare.
Er winkelte den Arm an, seine Hand sauste durch die Luft, und die Perücke flog weit in die Wüste hinein.
Er lief die Düne herunter, sein Schatten huschte zwischen den Zelten hindurch. Vor Raisas Zelt blieb er stehen und flüsterte ihren Namen. Die Zipfel wurden beiseitegeschlagen, und Raisas Gesicht tauchte im Mondlicht auf. Théo streichelte ihre Wange, küsste sie und drückte sie heftig an sich. Dann flüsterte er ihr etwas ins Ohr.
»Was? Nach Kos? Und was soll ich da machen, in Kos?«
»Die Ehefrau und die Verkaufsleiterin.«
»Komm rein, ich muss mit dir reden.«
Ein Lichtstrahl durchschnitt die Finsternis, und in der Stille ertönte die Melodie der Ballad of the Kelly Gang . Über einem Dünenkamm kamen die Umrisse zweier Männer hervor. Die Lampe an einem Bergarbeiterhelm beleuchtete eine Dose Foster’s.
»Ich will auch einen Schluck«, sagte Zac.
»Wehe, du trinkst alles.« Brandon stolperte. »Was ist das denn?« Er bückte sich, um etwas aufzuheben. »Wahnsinn, eine Perücke! Guck mal, eine Perücke mitten in der Wüste!«
Zac richtete den Lichtstrahl auf die Perücke. »Ich glaub’s nicht.«
Brandon setzte sie auf. »Wie sehe ich aus?« Er wackelte mit den Hüften. »Gefalle ich dir? Bin ich dein Typ?«
Sie brachen in ein derbes Gelächter aus. Zac setzte die Mundharmonika an die Lippen und machte Brandon ein Zeichen, er solle singen.
Waltzing Matilda, waltzing Matilda, who’ll come a-waltzing Matilda with me ?
Singend, einen Arm auf den Schultern des anderen, entfernten die beiden sich über den Dünenkamm. Der Lichtkegel ihrer Lampe tanzte noch lange über den Sand.
Ein Komet raste über den Himmel, der einen grünen Schweif hinter sich herzog und die Wüste taghell erleuchtete.
Danksagungen
Ein Buch ist ein Boot, das durch die Nacht fährt: Der Kurs ist schwer zu halten, überall lauern Gefahren, und viele Lotsen müssen es ans Ziel steuern. Curia stellt da keine Ausnahme dar, denn die Reise hat dreieinhalb Jahre gedauert und führte manchmal durch stürmische Gewässer.
Ich bin vielen Menschen zu Dank verpflichtet, vor allem denen, die mich in verzweifelten Momenten unterstützt haben, wie meine Frau Franca und mein Freund Carlo Fornasini, der eines Tages, als wir uns bei einem Spaziergang durch die Giardini Margherita in Bologna über Quantenphysik und östliche Mystik unterhielten, zu mir sagte: »Oscar, wir sind ein Meer.«
Ein ganz besonderer Dank gilt Enrico Fornasini, Jurastudent an der Universität Bologna, der mir zwei Jahre lang in endlosen Telefongesprächen als Lektor zur Seite stand. Enrico hat sich weniger auf die Fehlerkorrektur als auf Thematisches konzentriert, also auf das, was zählt: die Charakterisierung der Figuren, die Dialoge, die Einbettung der Handlung in eine bestimmte Umgebung.
Das hat er mit Leidenschaft, Intelligenz und Entschlossenheit getan und dabei große Sensibilität und eine beachtliche Urteilsfähigkeit bewiesen, seltene Gaben bei jungen Menschen seines Alters. Ohne ihn wäre Curia nicht das Buch, das es geworden ist. Er hat den
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