Cypherpunks
Glasfaserkabel, über unseren Köpfen wirbelnde Satelliten, Hallen voller Computerserver an Orten von New York bis Nairobi. Wie Archimedes dem mit nur einem Schwert bewaffneten Soldaten ausgeliefert war, der ihn dann erschlug, so kann auch die höchste Entwicklung der westlichen Zivilisation, unser platonisches Internetreich, in die Hände einer bewaffneten Miliz fallen.
Losgelöst von der alten Welt roher Atome, sehnte sich das ätherische Netz nach Unabhängigkeit. Doch Staaten und ihre Freunde machten sich daran, sich seiner zu bemächtigen – indem sie sich die Kontrolle über sein physisches Fundament verschafften. Wie eine Armee, die sich ein Ölfeld unter den Nagel reißt, wie Zöllner, die an der Grenze die Reisenden abkassieren, sollte der Staat bald lernen, seinen Zugriff auf den physischen Raum als Hebel zu benutzen, um die Herrschaft über unser platonisches Reich zu gewinnen. Er untergrub die Unabhängigkeit, von der wir geträumt hatten, und ging dann, indem er Glasfaserkabel und die Bodenstationen von Satelliten in Beschlag nahm, dazu über, den Informationsfluss des Internets – sein ureigenstes Element – einer massiven Überwachung zu unterwerfen, gerade in dem Augenblick, als es zum umfassenden Medium unserer menschlichen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu werden begann. Der Staat saugte sich wie ein Blutegel in die Venen und Arterien unserer neuen Gesellschaften, verleibte sich jede darin ausgedrückte oder kommunizierte Beziehung ein, jede gelesene Webseite, jede gesendete Nachricht, jeden gegoogleten Gedanken, speicherte dieses Wissen – Milliarden von abgefangenen Informationen jeden Tag, der Schlüssel zu unerhörter Macht – in streng geheimen Magazinen für alle Zeiten ab und machte sich daran, diesen Datenschatz – das private Gemeinschaftswerk der Menschheit – zu heben, zu erschließen und immer wieder aufs Neue auszuwerten. Mit immer raffinierteren Such- und Mustererkennungsalgorithmen vermehrte er den Schatz und maximierte das Machtungleichgewicht zwischen den Datenhäschern und den Abgeschöpften. Und dann besann sich der Staat darauf, was er in der physischen Welt gelernt hatte: Kriege vom Zaun zu brechen, Drohnen auf Ziele zu steuern, UNO-Ausschüsse und Handelsabkommen zu manipulieren und dem ihm verbundenen ausgedehnten Netzwerk von Industrieunternehmen, Insidern und Günstlingen Gefälligkeiten zuzuschustern.
Doch wir stießen auf ein Gegenmittel. Wir entdeckten unsere einzige Hoffnung gegen die totale Beherrschung, eine Vision, mit der wir – mit Mut, Einsicht und Solidarität – Widerstand leisten konnten. Es war eine eigentümliche Eigenschaft des physischen Universums, in dem wir leben, die uns dazu verhalf.
Das Universum nämlich ist ein Freund der Kryptografie. Es ist leichter, Informationen zu verschlüsseln, als sie wieder zu entschlüsseln.
Wir erkannten, dass wir uns diese seltsame Eigenschaft zunutze machen konnten, um die Gesetze einer neuen Welt zu schaffen und unser platonisches Reich von seiner stützenden Struktur aus Satelliten und Unterseekabeln mitsamt ihren Datenwächtern loszueisen, indem wir unseren Raum mit einem kryptografischen Schutzwall sicherten. So konnten wir Neuland gewinnen, das den Kontrolleuren der physischen Realität verschlossen bleiben muss, weil sie uns in diese Freizone nur folgen könnten, wenn sie dafür unendliche Ressourcen aufböten.
Auf diese Weise erklärten wir unsere Unabhängigkeit.
Die Wissenschaftler des Manhattan-Projekts entdeckten, dass die Gesetze des Universums den Bau einer Atombombe zuließen. Dieser Schluss lag durchaus nicht auf der Hand, es hätte sich auch erweisen können, dass Nuklearwaffen mit den physikalischen Gesetzen unvereinbar waren. Das Universum aber glaubt an Atombomben und Atomkraftwerke, es erteilt ihnen seinen Segen wie dem Salz, dem Meer und den Sternen.
In ähnlicher Weise besitzt unser Universum eine Eigenschaft, die es einem Einzelnen oder einer Gruppe erlaubt, Informationen verlässlich und automatisch, selbst ohne Wissen so sicherzu verschlüsseln, dass sämtliche verfügbaren Ressourcen und der gebündelte politische Wille der stärksten Supermacht der Welt nicht ausreichen würden, um sie zu dechiffrieren. Und die Chiffrierpfade der Menschen können zusammenströmen, können ganze Regionen schaffen, die den Zwangsmitteln des äußeren Staates entzogen sind – frei von massenhafter Überwachung und staatlicher Gängelung.
Auf diese Weise können sich Menschen dem
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