Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
PROLOG
Schloss Ambras, April 1580
Die holzgetäfelte Abziehstube war so überhitzt, dass sie zu schwitzen begann, während sie sich aus den Kleidern schälte. Wie viele Ösen, Haken und Schnüre es an einem Frauengewand auch geben musste! Und keine Bademagd weit und breit, die ihr dabei zur Hand hätte gehen können, denn sie hatte sie alle weggeschickt.
Es fiel ihr schwer, sich an den süßlichen Altweibergeruch zu gewöhnen, den sie verströmte, weil über ihm noch etwas Bitteres schwang, das sie beunruhigte. War das wirklich sie, die einst so verführerisch geduftet hatte, dass er gar nicht genug davon bekommen konnte, in ihrem festen Fleisch zu versinken?
Sie drehte sich um zum weißen Himmelbett unter lichtblauem Seidenbaldachin, auf dem ihr Schatz lag, den sie stets mit sich herumtrug, aus Angst, er könne sonst womöglich in die falschen Hände geraten. Die dünnen Seiten, gefüllt mit ihrer störrischen Handschrift, konnten belegen, wie es wirklich gewesen war, das schenkte ihr Trost.
Mariechen würde ihn an sich nehmen, die einzige Person, der sie vertrauen konnte.
Sie wartete bereits im vereinbarten Versteck. Das richtige Wort würde sie erscheinen lassen.
Plötzlich schienen die holzgetäfelten Wände sich enger um sie zu schließen.
Die Weinpokale und Lautenspieler auf den Fresken begannen zu schwanken, als treibe Bacchus mit ihnen sein munteres Spiel, sogar der gemalte Tisch fing an sich zu drehen, ähnlich dem aus Ahornholz in der steinernen Rotunde, der drunten im Paradiesgarten so viele Besucher überrascht und belustigt hatte. Doch die heiteren Zeiten waren vorüber, das wusste sie, auch ohne den großen Kristallspiegel zu bemühen, den sie inzwischen gewissenhaft mied.
Schon lange war sie bar aller Illusionen. Sie waren davongeflogen, Jahr um Jahr, bis sie beinahe vergessen hatten, was sie beide sich einst im Mondlicht feierlich gelobt hatten. Inzwischen sah sie den Mann an ihrer Seite mit neuen, anderen Augen. Fünf Kinder hatte sie geboren – und ihm doch nicht zur rechten Zeit den legitimen Erben schenken können, den er so dringend gebraucht hätte. Nicht einen Tag hatte sie vergessen, wie schwer er daran zu tragen hatte. Dabei waren ihre beiden Familien lange Zeit eng miteinander verbunden gewesen, wenngleich sie in den Augen der Welt alles andere als ebenbürtig erschien. Sah man allerdings genauer hin, entdeckte man Erstaunliches. Nur die Klugheit, der Fleiß und der Mut ihrer Vorfahren hatten seinen Ahnen zum Thron verholfen.
Doch wer sprach jetzt noch davon?
Wie immer würde er sich zu helfen wissen. Dafür hatte sie ihn lange Zeit bewundert und heiß geliebt – jetzt freilich hatte sie ihn manchmal deswegen gehasst. Hätte er nicht abwarten können, bis sie den letzten Atemzug getan hatte?
Schon seit Jahren verfolgte er emsig und geschickt seine Ziele.
Natürlich hatte sie alle Schreiben abfangen lassen, die in jener delikaten Angelegenheit über den Brenner und wieder zurückgingen, wenngleich sie ihm gegenüber niemals ein Wort davon erwähnt hatte. Sie kannte jeden einzelnen Brief, hatte ihn so oft gelesen, bis die Worte auf ihrer Netzhaut eingebrannt waren. Ihr Liebster befand sich erneut auf Freiersfüßen, das war wie ein Schwert, das in ihr Herz fuhr, obwohl doch noch ein Restchen Leben in ihr war. Sobald sie die Augen für immer geschlossen hätte, sollte seine italienische Nichte an ihre Stelle treten, blutjung, gebärfreudig, hochadelig vom Scheitel bis zur Sohle.
Ob Anna Caterina das Meer kannte?
Ihr hatte er es immer wieder zeigen wollen – um dann sein Versprechen von Jahr zu Jahr weiter ins Ungewisse zu verschieben. Nun würde sie sterben, ohne jemals gesehen zu haben, wie Wasser und Horizont sich küssten, während die Sonne als Feuerball in den Fluten versank.
Inzwischen umfloss das rote Samtkleid ihre Füße, eine Lache aus dunklem Blut, wie sie unwillkürlich denken musste. Auf einem Hocker aus Zirbelholz lag die Badeehre ausgebreitet, ihr am Rücken offenes Leinengewand, mit dem sie üblicherweise ins Wasser glitt. Darauf ruhte der Badehut aus grüner Seide, der den Kopf schützen sollte und nach Nelkenöl duftete, doch beides ließ sie heute unberührt.
Langsam schlurfte sie nach nebenan, nackt, wie die Mutter sie einst geboren hatte. Ihre Füße schienen dabei am Boden zu kleben, die Beine waren bleischwer. Dafür raste ihr Herz, in jenem jagenden, stolpernden Stakkato, das ihr seit dem letzten Herbst Furcht einflößte.
Heute war es
Weitere Kostenlose Bücher