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Dabei und doch nicht mittendrin

Dabei und doch nicht mittendrin

Titel: Dabei und doch nicht mittendrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haci-Halil Uslucan
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bezeichnet. Die sprachliche wie sozialpolitische Sensibilität gebietet hier, explizit nicht von »Ausländern« zusprechen, um diese nicht als »Fremde« zu stigmatisieren und dadurch erst eine unüberbrückbare Distanz sprachlich zu konstruieren. Denn nun sind sie keine »Ausländer« mehr, da sie oft hier geboren und in ihrer subjektiven Selbstdefinition häufig den mehrheitskulturellen Identitätsentwürfen und Lebensgestaltungen näher sind als der Ursprungskultur ihrer Eltern.
    Als eine Gemeinsamkeit aller Migranten lässt sich festhalten, dass sie eine hochselektive und mobile Gruppe darstellen, die es gewagt hat, in der Hoffnung auf ein besseres Leben ihr Land zu verlassen, und Mut genug bewiesen hat, die Herausforderungen kultureller und sprachlicher Fremdheit auf sich zu nehmen. Dadurch aber stand und steht sie vor Entwicklungsaufgaben, die nicht nur anspruchsvoller sind als jene der nichtmigrierten Familien in der Heimat, sondern auch als diejenigen der Mehrheitskultur. Sie verdienen es, gesondert betrachtet und gewürdigt zu werden. Gerade vor dem Hintergrund, dass Migranten unter einer höheren Anzahl und intensiveren Ausprägung von Risiken leiden, wie es in vielen Studien deutlich wird 10 , müsste doch eine ganz »normale«, unauffällige Lebensführung ihrerseits eigentlich erstaunlich und erklärungsbedürftig sein. Deshalb sind die Anstrengungen »zur Normalität« bei den »unauffälligen Migranten« besonders zu honorieren und anzuerkennen: Denn der größte Teil der Integration erfolgt unauffällig. Und Unauffälligkeit ist kein Selbstläufer, sondern das Produkt einer gewaltigen Anpassungsleistung.

Skizze der Migrationsmotive und Bedingungen im Entsendeland Türkei
    Allgemein können die Motive einer Migration sehr vielfältig sein. Sie können aus der Armut der Herkunftsregion, Naturkatastrophen, Kriegszuständen, politischer Verfolgung, Unterdrückung der Minderheiten, aber auch dem Wunsch nach Herstellung und Aufrechterhaltung affektiver Bindungen (Partnerschaft, Familienangehörige) zu einem persönlich wichtigen Menschen in einem anderen Land resultieren. Das grundlegende Motiv – und darin unterscheiden sich Migranten von Einheimischen in keiner Weise – ist die Sorge um die Unversehrtheit des Leibes und der Versuch einer Verbesserung des Lebens, kurz: die Suche nach dem guten Leben. In unserem Kontext wird jedoch weitestgehend auf die Arbeitsmigration fokussiert.
    Der argentinisch-amerikanische Psychiater Carlos E. Sluzki hat versucht, ein Stadienmodell typischer Migrationsprozesse aus der Erlebensperspektive zu formulieren 11 , das sich in Beratungs- und Interventionskontexten als Deutungsschema gut bewährt hat:
    Demnach lassen sich alle Formen von Migrationen in folgende fünf Stadien einteilen:
    1. Die Vorbereitungsphase
    2. Der Migrationsakt selbst
    3. Eine Phase der Überkompensierung / Euphorie
    4. Eine Phase der Dekompensation / Enttäuschung
    5. Generationenübergreifende Anpassungsprozesse
    1. Auswanderung beginnt bereits mit dem ersten Gedanken an Auswanderung; und zwar, sobald die Person anfängt, Informationen zu sammeln, sich über Einreisebestimmungeninformiert und um Visa kümmert, in der Familie die Idee, das Land zu verlassen, erörtert, nach eventuellen Unterstützungsund Solidaritätspotenzialen sucht und diese ausfindig macht. Dabei treten unweigerlich folgende Fragen auf: Wer würde mich bei einer Ausreise unterstützen? Welche Beziehungen würde ich dabei aufs Spiel setzen (Eltern, Verwandte, Freunde)? Welche Familienmitglieder würden durch eine Ausreise am meisten gewinnen oder verlieren? Wird man möglicherweise zum Verräter, der selbst dem Elend entkommt und dem die anderen, die Zurückbleibenden, als laute oder stumme »Ankläger« entgegentreten? Wie geht man mit dem Schmerz um, geliebte Personen, vertraute Orte und Objekte zurückzulassen?
    2. Während Übergangssituationen oder Statuspassagen des Lebens – vor allem bei Menschen aus ländlichen Regionen in ihrer Heimat – sonst stark verregelt, durch Routinen und eine Vielzahl überlieferter Rituale und Praktiken abgestützt sind, bleiben Migranten weitgehend sich selbst überlassen und müssen diesen existenziellen Akt des Aufbrechens allein bewältigen. Gerade deshalb ist für sie in der ersten Phase der Kontakt zu Personen in ähnlicher Lage, mit denen sie etwa einen Teil oder die ganze »Reise« gemeinsam gestaltet haben, von herausgehobener Bedeutung, weil er persönliche Beziehungen sowie eine

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