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Daemmerung der Leidenschaft

Daemmerung der Leidenschaft

Titel: Daemmerung der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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die Arme zu nehmen. Daraufhin war sie vollkommen zusammengebrochen, hatte geschluchzt, als ob ihr das Herz bräche – es war das einzige Mal, daß sie ihrem unsäglichen Leid freien Lauf ließ.
    Doch dann fing sie sich wieder, und sie waren bis in den frühen Morgen zusammengesessen im Gespräch. Tante Lucinda besaß ein großes Reservoir an Kraft, und sie hatte daraus geschöpft, während sie sich an die Aufgabe machte, die Zukunft von Davenport zu sichern. Ihr geliebter David, der Erbe von Davenport, war tot. Und Janet, ihre einzige Tochter, die sie genauso geliebt hatte, wäre auch weder geneigt noch geeignet gewesen, die enorme Verantwortung, die so ein Erbe mit sich brachte, zu übernehmen. Janet hatte ein stilles, in sich gekehrtes Dasein geführt, in den Augen immer einen Ausdruck stummen Schmerzes, der nie ganz verschwand. Webb vermutete, daß das an Jessies Vater lag – wer immer er auch sein mochte. Jessie war unehelich, und Janet hatte nie verraten, wer sie gezeugt hatte. Von seiner Mutter wußte er, daß es seinerzeit einen Riesenskandal gab; aber die Davenports waren zusammengerückt, und die Elite von Tuscumbia war gezwungen gewesen, sowohl Mutter als auch Kind zu akzeptieren oder sich den Zorn der Davenports zuzuziehen. Da die Davenports als die reichste Familie im Nordwesten von Alabama galten, hatten sie sich selbstverständlich durchgesetzt.
    Doch jetzt, wo ihre beiden Kinder tot waren, mußte Lucinda als Oberhaupt den Fortbestand ihres Vermögens und der Unternehmen sichern. Es ging nicht nur um Davenport, dieses kostbare Anwesen, sondern auch um Aktien und Anleihen, Immobilien, Fabriken, Grund und Boden, Rechte am Abbau von Mineralien – ja sogar Banken und Restaurants besaßen sie. Die riesigen, weitverzweigten Davenport-Transaktionen erforderten ein kluges Hirn und darüber hinaus eine unerschütterliche Durchsetzungskraft, wenn man alles zusammenhalten und weiter florieren lassen wollte.
    Webb war erst vierzehn, doch an dem Morgen nach dem nächtlichen Gespräch mit Tante Lucinda hatte sie den Anwalt der Familie ins Arbeitszimmer gebeten, die Tür zugemacht und Webb als künftigen Erben bestimmt. Er war ein Tallant, kein Davenport, aber eben der Enkelsohn ihres heißgeliebten Bruders, und sie selbst stammte aus der Familie der Tallants – also war das in ihren Augen kein Hindernis. Vielleicht weil Jessie einen so schweren Start im Leben gehabt hatte, hatte Lucinda Jessie der Nachzüglerin Roanna immer vorgezogen, aber ihre Liebe war nicht blind. So sehr sie es ihr gegönnt hätte, wußte sie doch, daß Jessie viel zu unberechenbar war für die Zügel eines solchen Imperiums; wenn man ihr freie Hand ließ, dann hätte sie die Familie innerhalb kürzester Frist ab ihrer Volljährigkeit in den Bankrott gewirtschaftet.
    Roanna, die nächste direkte Verwandte, wurde nicht einmal in Betracht gezogen. Zum einen war sie erst sieben und zum anderen viel zu unbändig. Man konnte sie nicht als wirklich ungehorsam bezeichnen; aber sie besaß ganz eindeutig das Talent, sich ständig in Schwierigkeiten zu bringen. Wenn es innerhalb von einer Viertelmeile eine Pfütze gab, dann schaffte Roanna es unweigerlich hineinzufallen – aber nur, wenn sie ihr bestes Kleid trug, natürlich. Wenn sie neue Schuhe anhatte, trat sie aus Versehen in Pferdeäpfel. Sie stolperte andauernd, ließ irgendwelche Dinge fallen, verschüttete, was immer sie in der Hand trug, oder stieß um, was in Reichweite war. Das einzige Talent, das sie zu besitzen schien, beschränkte sich auf den Umgang mit Pferden – in Lucindas Augen ein großes Plus, da auch sie die Tiere liebte; aber unglücklicherweise reichte das für die Führung der Familiengeschäfte nicht aus.
    Davenport würde ihm gehören, Davenport und alles, was dazugehörte. Webb blickte zu dem imposanten weißen Haus auf, das wie ein Luxusdampfer in der Mitte des saftigen grünen Rasens lag. Eine breite, schattige Veranda zog sich um das gesamte Gebäude herum, sowohl im Erdgeschoß als auch im ersten Stock. Die Geländer bestanden aus reich verziertem, schwarzem Schmiedeeisen, und sechs stattliche weiße Säulen erhoben sich an der Vorderseite, wo die Veranda sich zum Eingangsrondell weitete. Das Haus wirkte anmutig und gleich zeitig behäbig, die breiten Loggien versprachen eine herrliche Kühle, und die luftige Architektur wurde noch durch gewaltige Fenster unterstrichen. Doppelte Balkontüren zierten jedes der Schlafzimmer im oberen Stockwerk, und ein großes,

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