Daemonen des Lichts
Höhe. »Das hättest du auch vorher schon tun können.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Es hat sich aber nicht so angefühlt.«
Darüber dachte er nach, dann zuckten seine Mundwinkel. »Nee, wahrscheinlich nicht. Na dann los, tu dir keinen Zwang an.«
Ich richtete mich auf und setzte mich dann im Schneidersitz hin. »Wohin fahren wir eigentlich genau?«
Alex veränderte seine Haltung, zog eines seiner Kissen hervor und setzte sich ein bisschen gerader hin. »Zu einem Camp im Süden von New Mexico, draußen in der Wüste, wo ich ausgebildet wurde. Cully ist wahrscheinlich dort und trainiert neue AKs.«
Angel Killers, Engel Jäger, das hatte ich mir gemerkt. »Und wer genau ist Cully?«
Ich konnte förmlich sehen, wie Erinnerungen über sein Gesicht zogen. »Er war ein Engeljäger, bis er bei einer Jagd ein Bein verloren hat. Er weiß mehr über die ganze Sache als irgendwer sonst auf der Welt.«
Ein Bein verloren. Mein Blick wanderte zum Frisiertisch hinüber, wo Alex seine Klamotten abgeladen hatte. Obenauf, in einem Holster, lag seine Waffe. Selbstverständlich hatte ich bereits gewusst, dass das, was er tat, gefährlich sein musste. Aber erst jetzt ging mir unvermittelt auf, wie gefährlich. »Passiert … passiert so was oft?«, fragte ich.
Alex verzog keine Miene, aber ich konnte die plötzliche Anspannung spüren, die in seinem Inneren vibrierte. »Er hatte noch Glück«, sagte er. »Die weniger Glücklichen sind entweder gestorben, oder das Angelburn-Syndrom hat sie erwischt.«
War es das, was seinem Bruder zugestoßen war? Ich wechselte hastig das Thema. »Also hast du da gelebt?«
»Ja.« Alex zögerte, doch dann sagte er: »Mein Vater hat das Ganze gegründet.«
Er, sein Vater, sein Bruder, alle zusammen in diesem Wüstencamp. Ich erinnerte mich an den flüchtigen Blick, den ich vom Camp hatte erhaschen können, als ich seine Hand gehalten hatte: der Stacheldraht, das grelle, harte Blau des Himmels. »Und was ist mit deiner Mutter?«, fragte ich.
Er starrte fast regungslos auf den Fernsehschirm. »Das ist eine lange Geschichte«, entgegnete er irgendwann.
»Okay, in Ordnung.« Umgehend wünschte ich, ich hätte nicht gefragt. Alles, was mit seiner Familie zu tun hatte, schien das reinste Minenfeld zu sein. Schweigend sahen wir eine Weile fern. Ich schlang meine Arme um ein Kissen. »Hör mal, dieses ganze … Engelsproblem«, sagte ich dann. »Das hat sich in letzter Zeit verschlimmert, oder? Ich meine, bis vor ein paar Jahren hatte ich noch nicht mal von ihnen gehört und jetzt … jetzt sind sie praktisch überall. Im Fernsehen, in den Zeitungen.«
Alex schien sich etwas zu entspannen. »Das liegt an der Invasion«, sagte er, angelte sich die Fernbedienung und fuhr damit über den Bettüberwurf. »Engel hat es hier schon immer gegeben, aber vor fast zwei Jahren ist ihre Anzahl explosionsartig gestiegen. Warum, wissen wir nicht – ob in ihrer Welt irgendwas passiert ist oder so.«
Er senkte den Kopf. Ich betrachtete seinen Hals und die hohen Wangenknochen. »Wo liegt denn ihre Welt?«
»Wir sind uns nicht sicher«, sagte Alex. Ich registrierte seinen beiläufigen Gebrauch des Wörtchens »wir«, als spräche er von einem Team, das lange zusammen gekämpft hatte. »In einer anderen Dimension wahrscheinlich. Sie scheinen aber in der Lage zu sein, in unsere zu wechseln.«
Eine andere Dimension. Ich hatte immer geglaubt, so etwas wäre nur eine Erfindung irgendwelcher Science-Fiction-Autoren – bloß ausgedacht, genauso wie die Engel. »Und sie leben hier, einfach so? Genau wie Menschen?«
Er zog ein Knie an und stützte seinen Unterarm darauf ab. Sogar wenn er entspannt war, wirkte er beinahe anmutig stark wie eine große Katze. »Jepp, sie haben Häuser, fahren Auto … sie integrieren sich einfach, ohne aufzufallen. Ihre wahre Form nehmen sie meistens nur an, wenn sie sich nähren.«
Ich schüttelte den Kopf, während ich versuchte, das alles zu begreifen. »Was passiert, wenn ihr sie nicht aufhalten könnt?«
Alex zuckte mit den Schultern und sah mich an. »Die Menschheit wird aussterben«, sagte er. »Vielleicht in vierzig oder fünfzig Jahren. Die Engeljäger sind dabei, den Kampf zu verlieren, weißt du – langsam, aber sicher. Wir brauchen schon eine richtig große Sache, um sie aufzuhalten, sonst haben wir nicht die geringste Chance.«
»Oh Gott«, flüsterte ich. Sollte ich etwa diese große Sache sein? Wieder sah ich die im Flur aufgereihten Krankenhausbetten aus
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