Daemonen in London
Geräusche.
Ohne darüber nachzudenken, drehte er das Handydisplay ebenfalls
in diese Richtung. Das diffuse blaue Licht wanderte über den mit
einer dünnen Schneeschicht bedeckten Boden, der über und
über mit kleinen roten Flecken gesprenkelt war. Jeremys Verstand
war gerade noch in der Lage, die Flecken als Tillys Blut zu
identifizieren, doch als das Licht seines Smartphones die unsägliche
Kreatur erreichte, die sich gerade mit offenkundigem Appetit an den
kopflosen Überresten seiner Ehefrau gütlich tat, brannte
etwas in seinem Kopf endgültig durch und er begann zu schreien.
*
Der
Höllenhund zuckte zusammen, als plötzlich neben ihm das
Gekreische los ging. Fauchend drehte er sich zu der Geräuschquelle
um und erkannte den Mann, der vorhin noch auf dem Weg gestanden war.
Den
hatte er ja vollkommen vergessen!
Nachdem
er die Frau geköpft hatte und der verlockende Geruch des aus
ihrem Rumpf heraus strömenden Blutes in seine Nase gedrungen war
- und die unangenehme Schweiß-Parfüm-Mischung übertönt
hatte -, war er einfach nicht mehr zu halten gewesen. Das so lange
zurückgehaltene Verlangen nach frischem Menschenfleisch hatte
die Oberhand gewonnen und der Dämon war wie ein Verhungernder
über den noch warmen Körper hergefallen. Das Fleisch der
Frau war zart und frisch, auch wenn sie leider, wie er fand, etwas zu
dünn war. Doch um die erste Gier zu stillen würde es
reichen – und es schmeckte einfach zu köstlich!
Er
kaute gelassen an einem großen Fetzen, den er soeben aus ihrem
enttäuschend flachen Bauch gerissen hatte, und begutachtete den
Mann vor sich. Dieses Exemplar war deutlich feister und die
Vorfreude auf diese hoffentlich etwas üppigere Mahlzeit fachte
den Appetit des Höllenhund noch zusätzlich an.
Praktisch,
dass auch dieser Mensch ihm direkt in die Arme gelaufen war, dachte
er gerade - als der Mann sich umdrehte und, immer noch schreiend, von
ihm wegrannte.
Der
Dämon stieß ein ärgerliches Brummen aus und ließ
mit einem Gefühl des Bedauerns die Reste der Frau auf den Boden
fallen. Er hätte sie lieber zuerst fertig gegessen – als
Vorspeise sozusagen - und sich dann in Ruhe dem zweiten Gang
gewidmet.
Aber wenn er zu lange wartete,
dann war dieser zweite Gang sicherlich schon irgendwo zwischen den
umliegenden Häusern verschwunden und der Dämon müsste
sich ein anderes Opfer suchen. Also unterbrach er widerwillig sein
Mahlzeit, wandte sich in Richtung Wiese und sprang dem Fliehenden mit
weiten Sätzen hinterher.
Der
Mann lief erstaunlich schnell und hatte es bereits wieder zurück
bis zu dem Weg geschafft, ehe der Dämon ihn einholte. Vor Hunger
ungeduldig verzichtete der Höllenhund auf kämpferische
Feinheiten und hieb mit seiner Kralle einmal quer über den
Rücken des Mannes. Der Schlag schlitzte den Menschen vom Nacken
bis hinunter zur Hüfte auf.
Vom
Schwung seines Laufes getragen, stürzte der Mann noch ein paar
Meter über den Weg hinaus, ehe er – beide Arme weit nach
vorne gestreckt - mit dem Gesicht nach unten reglos liegen blieb.
Ohne
auch nur ansatzweise außer Atem gekommen zu sein schritt der
Dämon lässig zu dem Leichnam und begutachtete neugierig das
seltsame Gerät mit dem blauen Leuchten, das der Mann noch immer
in seiner rechten Hand hielt. So etwas hatte der Höllenhund noch
nie zuvor gesehen.
Er
beugte sich hinunter und beschnüffelte das Teil – als
plötzlich ein lautes rhythmisches Kreischen aus dem winzigen
Ding erklang und es ihn in bunt pulsierenden Farben hell anstrahlte.
Vor Schreck entfuhr dem Dämon
ein dröhnendes Brüllen – und er verharrte entsetzt,
als er bemerkte, dass nur Sekunden später rund um den Park in
den Fenstern der Häuser Lichter aufflammten.
Er
stieß einen grässlichen Fluch aus.
Mit
seinem unbeabsichtigten Gebrüll hatte er die gesamte Umgebung
geweckt! Nun würde er seine gerade erst begonnene Mahlzeit nicht
mehr zu Ende bringen können. Gegen eine kleine Anzahl von
Menschen könnte er ohne Probleme kämpfen. Aber wenn jetzt
das halbe Stadtviertel in den Park strömte, dann war selbst er
überfordert.
Er
riss sich noch einen Abschiedshappen aus dem Oberschenkel des Mannes
und sprang anschließend ohne weiteres Zögern aus dem Park.
Er
musste sich verstecken und eine Weile abwarten. Eine so frühe
Entdeckung konnte er beim besten Willen nicht riskieren. Im Hof des
Abbruchhauses, in dessen Dachgeschoss sich das Dämonentor
befand, fand er unter einem Stapel alter Kisten und Möbel den
geeigneten
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