Dämonenfluch (Gesamtausgabe) (German Edition)
Gestaltwandler zählen. Nur so viel war sicher: Sie waren keine normale Menschen.
Tamiro nickte ihr zur Begrüßung zu und stieß sich von der Wand ab. Er gehörte zu dem Plan, den sie zusammen mit Tim ausgeheckt hatte. Tim bestand darauf, dass sie Tamiro zum Schutz vor ihrem Onkel mitnahm. Sie glaubte nicht an die Notwendigkeit, aber sie konnte Tim nicht von dieser Forderung abbringen.
Ich habe Mywar besiegt. Mein Onkel kann mir nichts antun.
Natürlich tat es trotzdem gut, einen Freund an ihrer Seite zu wissen.
„Sariel!“ Obwohl Tamiro nur ihren Namen sagte, schwang Freude in diesem einen Wort mit. Die Erkenntnis sandte einen sanften Schauer durch ihren Körper. Sie mochte Tamiro. Wie sehr sie ihn mochte, wollte sie nicht ergründen. Zumindest nicht, solange ihre Gefühle für Alexander so chaotisch waren. Alexander kann mich nicht leiden . Eine Grimasse begleitete diese innere Aussage. Tamiro hob fragend die Augenbrauen. Richtig. Sie war hier. Zusammen mit dem Gestaltwandler, der sie gerade begrüßt hatte, während sie ihn weiterhin stumm anstarrte.
„Ich bin froh dich zu sehen“, brachte Sariel ihre Gedanken zum Ausdruck. Sie zögerte, wusste nicht, ob sie ihn zur Begrüßung umarmen sollte, wie bei dem Abschied von Dschinnanyar, oder ob Tamiro etwas hineininterpretierte. Also blieb sie stehen, trat verlegen von einem Fuß auf den anderen und flüchtete sich in hirnloses Geplapper: „Danke, dass du mich begleitest. Ich wäre auch alleine gegangen, aber Tim wollte sichergehen. Er sagte, du könntest mich vor meinem Onkel beschützen. Obwohl ich hoffe, es wird nicht nötig sein. Sollen wir es wagen?“ Der Hitze nach zu urteilen, die ihren Hals hinauf kroch, war sie krebsrot im Gesicht. Tamiro grinste.
Sariel zeigte zu dem eisernen Tor hinüber, das mit Zacken bewehrt unliebsame Besucher vom Betreten des Grundstücks abhalten sollte. Aber das war nicht alles. Onkel Torsten verfügte über die beste und teuerste Sicherheitstechnologie und über ein Team von Wächtern, die zusammen mit ihren Hunden regelmäßig die Außenanlagen patrouillierten. Angela Merkel konnte nicht besser gesichert sein als ihr Onkel.
Tamiro ging mit ihr zu dem Tor. „Dein Onkel kann dich wohl nicht besonders leiden, nach allem was ich gehört habe“, sagte er.
„Er ist ein wenig seltsam“, gab Sariel zu. „Aber er ist der einzige Verwandte, den ich habe. Nach dem Tod meiner Eltern war er sehr gut zu mir.“ Mehr oder weniger , setzte sie in Gedanken hinzu.
Nachdem sie sich zusammen mit Tamiro dem Videomonitor stellte und sie das Grundstück betreten durften, galt es nur noch den Sicherheitsmitarbeiter an der Haustür von ihren guten Absichten zu überzeugen. Trotzdem klopfte der sie nach Waffen ab, bevor er sie eintreten ließ.
„Ist dein Onkel paranoid?“ Die Frage war so laut gestellt, dass der Bodyguard sie hören musste.
„Vielleicht, ein wenig“, murmelte Sariel.
Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie die Bibliothek, in der Torsten Halder bereits auf sie wartete.
„Sariel, gut dich zu sehen.“ Obwohl die Worte freundlich waren, klang die Stimme ihres Onkels, als meinte er das genaue Gegenteil. Torsten Halder blieb hinter seinem Schreibtisch sitzen und bedeutete ihnen mit einer Geste auf den beiden Stühlen davor Platz zu nehmen.
Er hat sich verändert . Der Gedanke wurde von einem unguten Gefühl begleitet. Ihr Onkel war schon immer ein kühler Mensch gewesen, der wenig Emotionen zeigte. Jetzt aber erfüllte seine innere Kälte den ganzen Raum. Eine dunkle Aura umgab ihn. Seine Augen, die schon immer einen durchdringenden Blick hatten, waren jetzt noch forschender. So, als könnten sie bis auf ihre Seele blicken.
„Danke, dass du dir die Zeit nimmst.“ Ihre Worte klangen steif, gezwungen, aber Sariel schaffte es nicht, sich aus der Starre zu lösen, die sein Blick in ihr hervor rief.
„Du hast jemanden mitgebracht, warum?“
„Das ist Tamiro. Ein Freund von mir. Nach unserem letzten Treffen wollte ich nicht alleine kommen.“
Mit knappem Nicken akzeptierte ihr Onkel Tamiros Anwesenheit. Dieser nickte ebenfalls. Offensichtlich wollte keiner der beiden Männer zu viele Worte verlieren.
„Gut. Was hast du mir zu sagen? Bist du bereit dein Studium der Betriebswirtschaftslehre aufzunehmen?“
„Nein! Das ist nicht, weshalb ich gekommen bin.“
„Dann gibt es nichts zu besprechen.“
„Doch.“ Sariel lehnte sich über den Schreibtisch nach vorne und fixierte ihren Onkel mit ihrem Blick.
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