Dämonenfluch (Gesamtausgabe) (German Edition)
„Vielleicht ist es gar nicht so schlimm. Außerdem müssen wir es nicht alleine lösen. Wir können Dschinnanyar verlassen und zusammen mit Alexander und Tim an der Lösung arbeiten.“
„Ich dachte du begleitest mich nur bis zur Grenze?“
„Ja. Aber wenn du meine Hilfe einforderst, kann ich mit dir in die Welt der Menschen zurückkehren.“
„Würdest du denn mit mir kommen? Freiwillig meine ich?“
„Natürlich!“ Tamiro senkte seinen Blick wieder auf das Buch. „Und jetzt lass mich vorlesen. Dann kannst du entscheiden, wie wir weiter vorgehen.“ Seine Stimme klang plötzlich dunkel und geheimnisumwittert. So, als trüge nicht er, sondern ein Erzähler aus längst vergangenen Zeiten die wenigen Zeilen vor:
Den Bann kann nur lösen,
wer bereit ist, in den
Kern des Bösen
zu schaun.
„Ist das alles?“
„Ja.“
Sariel fuhr sich über die Augen und seufzte. „In den Kern des Bösen schaun. Das könnte sich auf meinen Onkel beziehen.“
Mit einem Satz sprang Sariel auf und fing an die Bücher, die sie gelesen hatte in einem Stapel aufzuschichten. „Lass uns gehen“, rief sie über ihre Schulter zu Tamiro.
„Wohin?“, fragte der Gestaltwandler und begann seine Bücher ebenfalls wegzuräumen.
„Zurück in meine Welt!“ Ein Grinsen breitete sich auf Sariels Gesicht aus. Bisher hatte sie ihre Sehnsucht nach ihrer Heimat unterdrückt. Jetzt aber bestand kein Grund mehr, das zu tun. Sie konnte es kaum erwarten, Dschinnanyar hinter sich zu lassen.
„Warte. Ich schreibe nur noch kurz den Reim ab. Es ist sicher nicht gut, wenn wir die Formulierung durcheinander bringen.“ Tamiro kritzelte die wenigen Zeilen auf ein Stück Papier. „Meinst du nicht, wir sollten noch weitere Bücher lesen? Möglichweise finden wir detailliertere Anweisungen.“
Sariel schüttelte den Kopf. „Ich habe mindestens zweihundert Bände durchforstet. Dämonen scheinen nicht in der Lage zu sein, irgendetwas klar und deutlich zu formulieren, das nicht auf historischen Fakten basiert. Wir können es uns nicht leisten unsere Zeit damit zu verschwenden. Alexander braucht uns!“
Es war schon später Nachmittag und Dämmerung senkte sich über die Stadt, als Sariel und Tamiro den Rückweg aus der Bibliothek zum goldenen Stern antraten.
„Heute werden wir nicht mehr abreisen können“, sagte Tamiro. „Die Stadttore werden in wenigen Minuten geschlossen.“
„Du hast recht.“ Sariel seufzte. „Dabei hätte ich Dschinnanyar so gerne verlassen. Aber vielleicht kann ich mich von Jazni verabschieden und mich für seine Hilfe zu bedanken.“
„Jazni hat dir nicht geholfen. Er hat all das nur zu seiner eigenen Unterhaltung getan“, sagte Tamiro und kickte einen Stein.
„Wenn Mywar mich nicht trainiert hätte, wäre der Kampf anders ausgegangen.“
„Möglich“, knurrte Tamiro.
„Was hast du gegen Jazni? Ich dachte immer, du magst ihn!“
„Warum sollte ich? Er hat nichts für mich getan. Außerdem war ich jedes Mal, wenn du ihn getroffen hast, ein Panther und als solcher verhalte ich mich nicht wie ein Mensch.“
„Hmmmm.“ Sariel beschloss, das Thema fallen zu lassen. Ihr sonst so ausgeglichener Freund starrte mürrisch vor sich hin. Den Rest des Weges nutzte Sariel, um sich in Dschinnanyar umzusehen. Heute war die Stadt ein riesiges Zeltlager. Statt Häusern säumten große, weiße Zelte die Straßen aus festgestampftem Lehm. Die Stoffwände hoben und senkten sich in der lauen Brise. Das Geschrei von Kamelen durchbrach die Luft und in Burnusse gewandete Dämonen liefen an ihr vorbei. Mit ihrem schwarzen T-Shirt und ihrer Jeans fühlte sich Sariel fehl am Platz. Sie fiel auf. Jeder, der sie sah, wusste, wer sie war, und warum sie sich in hier aufhielt. Anders als vor dem Kampf wichen jetzt aber alle ehrerbietig vor ihr zurück. Niemand wagte es mehr, sie anzurempeln oder zu bedrängen.
Jazni, hast du Zeit für mich?, fragte sie in Gedanken um sich von dem Gemurmel abzulenken, das ihren Weg durch die Stadt, begleitete.
Statt einer Antwort herrschte Stille in ihrem Kopf.
„Er reagiert nicht.“ Sariel sah Tamiro fragend an.
„Vielleicht hat er Dschinnanyar verlassen. Er wechselt gerne zwischen den Welten.“
„Oh. Ich dachte, er würde …“ Sariel brach den Satz ab. Sie wollte vor Tamiro nicht ihre Enttäuschung zugeben. Sie hatte den Marrok als Freund betrachtet und gehofft, er würde sich von ihr verabschieden, bevor er Dschinnanyar verließ. Ganz so, wie sie es vorgehabt hatte. Sie
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